Schlangenjagd
Erfolg seines Plans hing einzig und allein davon ab, dass jeder Wächter herausgekommen war, um der Hinrichtung beizuwohnen, und dass er in der Lage wäre, ihre Rückkehr in den Gefängnisbau zu verhindern.
Er kam zwischen zwei Steinblöcken hoch und feuerte, um gleich wieder zu verschwinden, als Maschinenpistolen die Dampfspur der RPG zurückverfolgten und seine Position mit Dauerfeuer eindeckten. Die Luft war von Steinsplittern und Patronenfragmenten erfüllt. Der Raketenmotor arbeitete nicht gleichmäßig und sorgte dafür, dass die Raketengranate senkrecht in den Himmel stieg und als Fehlschuss verbucht werden musste. Er verließ auf allen vieren das Zentrum des gegnerischen Feuers und kroch zehn Meter weiter, wo er eine Pause einlegte, bis die unkontrollierten Dauersalven nachließen. Er schob seine MP-5 über die Mauer und jagte ein halbes Magazin hinaus. Dabei zielte er auf den zweiten Stock, um nicht unglücklicherweise seine eigenen Männer zu erwischen.
Als Antwort verdoppelten die Wächter ihre Bemühungen und beharkten die Steinmauer, als würde sich allein die Menge der einschlagenden Kugeln durch den Stein fressen können. Juan ignorierte das Kreischen und Singen der Kugeln, die über seinen Kopf hinwegflogen, und lud in aller Ruhe sein Gewehr nach. Er schob sich weiter über das Dach und kam zu der Stelle, von wo aus er aus einem fast unmöglichen Winkel auf die letzte Tür zu feuern und diese unbedingt zu treffen hätte. Doch war er mindestens noch zwanzig Meter von der Stelle entfernt, die die Wächter mit ihren AKs im Visier hatten.
Die Strecke, die er zurückgelegt hatte, würde ihm vielleicht eine Sekunde Ruhe verschaffen, ehe er wieder entdeckt würde. Dann überlegte er sich eine bessere Strategie und rollte sich von der Mauer weg, die den Innenhof säumte. Er zog sich weiter von der Kante zurück, bis er, als er sich auf die Knie aufrichtete, die Männer unten auf dem Hof nicht mehr sehen konnte. Noch wichtiger war jedoch, dass sie ihn auch nicht sahen. Er rutschte ein kleines Stück vor und konnte nun ins Gefängnis hineinblicken, das sich ein Stück entfernt an der äußeren Mauer befand. Er machte zwei weitere vorsichtige Schritte auf den Knien. Da! Er erkannte den römisch anmutenden Steinbogen über der fernen Tür, sah dort jedoch keinen der Wächter herumlaufen.
Cabrillo legte sich das Rohr mit der RPG auf die Schulter, zielte sorgfältig und drückte ab.
Was er nicht sehen und auch nicht wissen konnte, war, dass ein Unteroffizier der Wachen Juans Taktik durchschaut hatte und eine kleine Gruppe zu der Tür führte, als die Rakete quer über den Hof fegte. Einer der Soldaten stand genau unter dem Türbogen, als sich das Geschoss in die Wand bohrte. Während die Explosion Steinsplitter über den Paradeplatz streute und die Gruppe sprengte, zerschmetterte die Druckwelle der Explosion jeden Knochen im Körper des führenden Soldaten, ehe er unter einer Lawine von Steintrümmern begraben wurde.
Juan arbeitete sich vor, um die Wirkung seines Angriffs begutachten zu können. Obwohl dieser bereits schwer beschädigt schien, konnte er noch immer die dunklen Umrisse des Gefängnisbaus durch die demolierte Türöffnung erkennen. Zwischen den Trümmern klafften genügend Lücken, durch die ein Mann ohne Schwierigkeiten kriechen konnte. Da entdeckte er einen Soldaten, der auf die Tür zurannte. Cabrillo aktivierte den Ziellaser seiner Maschinenpistole, und als der winzige Lichtpunkt zwischen die Schultern des Wächters wanderte, drückte er mit einer Hand ab, wobei er vergaß, dass die Waffe auf Dauerfeuer geschaltet war. Da machte es also nichts aus, dass die zweite, dritte und vierte Kugel daneben ging. Die erste traf den Wächter genau an der Stelle, auf die er gezielt hatte. Er stürzte auf den Trümmerhaufen und blieb reglos liegen.
Cabrillo lud den Raketenwerfer ein fünftes Mal und suchte sich eine neue Position, um die Tür besser unter Beschuss nehmen zu können. Eine Bleilawine wurde von den wütenden Soldaten ausgelöst und schien die Luft dort auszufüllen, wo er soeben noch gestanden hatte. Er schob sich wieder vorwärts, sodass er den oberen Teil der Tür sehen konnte, und feuerte den nächsten Schuss ab. Gleichzeitig duckte er sich, als er erkannte, dass dieser Schuss ein Treffer war. Er lud das russische Altertümchen ein weiteres Mal und hörte das Rumpeln einer Steinlawine über dem hektischen Maschinengewehrfeuer. Als er einen Blick über die Mauerkante wagte, sah er, dass
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