Schlangenjagd
auf einem Haufen gesehen haben. Es ist so viel, dass Sie sich davon bis an Ihr Lebensende jeden Tag besaufen können. Dafür erwarte ich aber auch, dass Sie Ihren Job tun und endlich aufhören, mich mit Ihren Voraussagen, Ihren Sorgen oder Ihrer Meinung zu belästigen. Habe ich mich klar und verständlich ausgedrückt?«
»Ich sage doch nur …«
»Nichts!«, brüllte Singer. »Sie sagen gar nichts. Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen, ehe mir von Ihrem stinkenden Atem schlecht wird.«
Singer starrte den Kapitän wütend an, bis er wie erwartet zurückwich. Singer glaubte, dass alle Alkoholiker schwach waren, und dieser war keineswegs anders. Er war schon so weit abgesunken, dass er alles tun würde, was man von ihm verlangte, nur um seinen ständigen Alkoholpegel zu erhalten. Singer verspürte keine Gewissensbisse, solche Schwächen auszunutzen, wie er auch keinerlei Bedenken hatte, sich der Naivität von Nina Vissers Umweltschützern oder der Habgier Samuel Makambos zu bedienen. Wenn das unumgänglich sein sollte, um die Menschen dazu zu bringen, sich endlich einmal aufmerksam umzuschauen und die Schäden zu erkennen, die sie ihrem Planeten zufügten, dann musste es wohl so sein. Hatte Geoffrey Merrick nicht Singers Genialität ausgenutzt, um ihre Erfindung hervorzubringen? Singer hatte den Löwenanteil der Arbeit geleistet, während Merrick nur den Lohn eingestrichen hatte.
Ständig hatten die Leute geglaubt, dass Singer es vorzog, sich vom Scheinwerferlicht fernzuhalten und im Hintergrund zu bleiben. Was für ein elender Quatsch. Wer würde nicht gerne das Lob seiner Kollegen, die öffentlichen Ehrungen, die Preise entgegennehmen und auskosten? Singer hatte sich all das ebenfalls gewünscht, aber es war, als ob die Medien immer nur die eine Hälfte von Merrick/Singer sahen, die telegene Hälfte, die Hälfte mit dem charmanten Lächeln und den wortgewandten Antworten und Statements. Es war nicht Singers Schuld, dass er am Rednerpult regelrecht zu Eis erstarrte und im Fernsehen aussah wie eine lebende Leiche oder während eines Interviews wie ein Idiot erschien. Ihm blieb keine andere Wahl als eine Existenz im Schatten – nur war es eben immer Merricks Schatten, in dem er leben musste.
Wieder machte er seinem Unmut mit einem Fluch Luft, dass sein ehemaliger Partner nicht hier war und ihm die Gelegenheit versagt blieb, es ihm heimzuzahlen. Er wollte Merrick in die Augen schauen und ihm entgegenschleudern: »Es ist deine Schuld! Du hast es zugelassen, dass die Umweltverschmutzer weiterhin die Natur schädigen, und jetzt darfst du die Konsequenzen erleben!«
Er spuckte über die Reling der
Gulf of Sidra
und schaute seinem Speichel nach, bis er zu einem Teil des Ozeans wurde, ein winziger Tropfen im größten Eimer der Welt. Singer war früher genauso gewesen, ein winziger Teil von etwas, das so unendlich viel größer war als er selbst, dass es nahezu unmöglich schien anzunehmen, dass er einen entscheidenden Einfluss darauf ausüben könnte.
Er würde nun aber nicht länger unbedeutend sein.
Sobald Cabrillo auf die
Oregon
zurückgekehrt war, lautete sein erster Befehl, dass sie auf nördlichen Kurs gehen solle, nämlich dorthin, wo sich Afrika in den Atlantik hinausschob und wo die heißen Winde aus der Sahara genug Wasser aufsogen, um Wirbelstürme hervorzubringen. Er kehrte nicht in seine Kabine zurück, bis das Schiff unter seiner Aufsicht wiederhergestellt worden war. Der Rumpf der
Liberty
wurde abgeschrubbt, ihre Tanks wurden aufgefüllt, und sie wurde wieder an ihren Davits aufgehängt. Die beiden Tauchboote wurden mit Hilfe von Lösungsmitteln und Schrubbern von ihrer schwarzen Ölschicht befreit, die Batterien wurden aufgeladen, und die ausgebauten Geräte und Einrichtungen wurden wieder eingebaut. Die Gatlings, 40 mm wie Kaliber-.31, wurden überprüft, die Läufe und Schlösser gereinigt und die Munitionsbehälter wieder aufgefüllt. Waffentechniker verpackten die AK-47er, die an Moses’ Männer ausgehändigt worden waren, und markierten die fast fünfhundert Gewehre, die sie sich von Makambos Streitmacht zurückgeholt hatten. Juan hatte nicht vergessen, welche Belohnung Lang Overholt ihnen für die Wiederbeschaffung der Waffen versprochen hatte.
Aber so beschäftigt er auch gewesen war, mit
der
Arbeit, die Dr. Julia Huxley und ihr Team in der Sanitätsstation leisteten, konnte er auch nicht annähernd Schritt halten. Sie hatten dreiundzwanzig Patienten zu versorgen, mussten insgesamt
Weitere Kostenlose Bücher