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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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startet der Flieger auch noch, aber am Kennedy International Airport ist dann Schluss, weil man bis dahin den Dödel gefunden hat und weiß, was du mit ihm gemacht hast. Und täusch dich nicht – die Amis, mein Lieber, die stecken dich schneller in den Knast, als du papp! sagen kannst.«
    »Ich kann ja auch gar nicht weg«, meint André unbeeindruckt und tastet nach der Stelle auf seiner Nase, an der er am Morgen den Pickel ausgedrückt hat. »Solange die Elke nicht zurück ist.«
    Wieder blickt der Bilch auf und setzt zu einer Antwort an, aber dann schweigt er doch lieber und dreht das Radio lauter. Wanda Kuhlebrock ist dran und hat einen Anrufer, aber es ist nicht Matthaus, es ist eine Anruferin, der Bilch will schon wieder leiser stellen, aber dann lässt er es doch.
    »Barbara«, gurrt Wanda, »was für ein schöner Name! Ich kannte mal eine Barbara, die hatte wunderschöne grüne Augen, wir haben an Weihnachten Ostereier miteinander gesucht, das war lustig! Und du – was für Augen hast du?«
    »Grüne«, sagt die Anruferin. »Mit ein bisschen Blau drin.«
    »Ich bin hin und weg! Und suchst du auch etwas?«
    »Ja«, kommt es über die Telefonschaltung, »ich suche jemanden. Einen Mann.« Die Anruferin kann zwar nicht so gurren wie Wanda, aber wenn sie sagt: einen Mann!, dann schwingt doch etwas mit, dass selbst der dicke Bilch aufhorcht.
    »Einen Mann, der in der Nacht zum Montag an einem schwarzen Landrover vorbeigegangen ist, und eine Frau saß darin und hörte Radio Fünf Neunundsechzig, und Jane Birkin sang gerade …« – plötzlich bekommt die Stimme noch ein ganz anderes Timbre, fast ein gehauchtes – »also sie sang gerade: Viens entre mes reins …«
    »Was soll eine einsame Frau nachts in einem Auto auch anderes hören als Radio Fünf Neununsechzig!«, kommentiert Wanda Kuhlebrock. »Aber die Geschichte hab ich doch schon einmal gehört? Einer meiner Süßen hat angerufen und erzählt, wie er an dem Wagen vorbeigegangen ist, aber die einsame Frau wollte sich allein vergnügen. Vielleicht ist es der, den du suchst, Barbara?«
    »Gut möglich.«
    »Da legen wir zwei ja gerade ein sehr verführerisches Netz aus, findest du nicht? Ist es denn eine romantische Geschichte, zu der du den großen Unbekannten suchst? Oder soll es erst eine werden?«
    »Es ist schon eine«, antwortet die Anruferin. »Der Landrover stand in der Kleinen Rosenthaler Straße, neben dem Alten Garnisonfriedhof, das ist einer der romantischsten Plätze in Berlin Mitte.«
    »Ich kenne ihn! Ich liebe ihn! Überhaupt können Friedhöfe sehr romantisch sein«, wirft Wanda ein, »ich könnte dir Geschichten erzählen, Barbara, Geschichten – da würdest du Augen machen! Aber sag doch – hast du auch eine Belohnung für unseren großen Unbekannten?«
    »Aber gewiss doch«, sagt die Anruferin. »Er wird die Wahrheit erfahren. Die Wahrheit über die Frau in dem Wagen.« Dann ist das Gespräch aber schon zu Ende, Wanda Kuhlebrock nennt die Telefonnummer, unter der sich der Große Unbekannte bei Radio Fünf Neunundsechzig melden kann, und sagt den nächsten Song an, In a country churchyard von Chris de Burgh, und jetzt dreht der Bilch den Ton nun doch wieder leiser.
    »Hast du das gehört?«, fragt André, noch immer den Bleistift in der Hand. »Das war eine Bullenfrau. Die suchen den Typ, damit er sie zu der Frau bringt. Du weißt doch, die mit dem Landrover.«
    »Ich glaub nicht, dass das eine Bullenfrau war«, meint der Bilch. »Die haben keine solchen Stimmen. Und wie sie den Titel von dieser französischen Schnulze ausgesprochen hat. Nee, mein Lieber, das war keine Berliner Bullenfrau!«
    »Was soll denn das überhaupt heißen?«, fragt André, aber der Bilch versteht die Frage nicht.
    »Was die Frau da auf Französisch gesagt hat«, setzt André nach, und der Bilch verdreht die Augen.
    »Junge!«, sagt er dann, »ich werd dich doch um Gottes Willen nicht aufklären müssen.« Dann erklärt er es ihm doch.
    »Ach das!«, meint André, »da hättest du kein solches Getue drum machen müssen.«
    »Na schön, wenn du weißt, was so abgeht. Nur kann das noch nicht alles sein«, fährt der Bilch fort, um rasch wieder etwas Autorität zu gewinnen. »Ich glaube nämlich, deine Allgemeinbildung lässt ein wenig zu wünschen übrig. Bevor wir in die Große Weite Welt aufbrechen können, nach London und weiter nach New York gar, da sollten wir ein wenig Schliff bekommen haben. Ich denke, wir sollten mit Frankreich beginnen.« Er klopft auf den

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