Schlangenkopf
sondern Vertuschungsrichter nennen, und legt auf. Dann geht er und öffnet dem Besucher, es ist wie erwartet eine Besucherin: Barbara Stein, die am Nachmittag aus einer Kneipe angerufen und um ein Treffen gebeten hat.
»Tritt ein in die ärmliche, aber unaufgeräumte Hütte«, sagt er zur Begrüßung, »du kommst gewiss wegen dieser wahnsinnigen Olga, ich hab dem Untersuchungsrichter in Rostock dieserhalb schon meine Glückwünsche ausgesprochen.« Er nimmt Barbara den Mantel ab und will auch die Plastiktüte verstauen, die sie bei sich hat, aber die gibt sie nicht her. Er geleitet sie in sein Büro, einen großen Raum, dessen hohe Wände bis obenhin mit Bücherregalen vollgestellt sind. »Ich werde versuchen, Polizeischutz für euch zu bekommen.«
»Polizeischutz?«, fragt Barbara Stein und nimmt auf dem Sessel vor Dingeldeys Schreibtisch Platz, »um Gottes willen nein! Das sind dann Leute, die sich mit ihren eigenen Handschellen im Klo an die Wasserleitung fesseln lassen. Ich brauch mein Klo für mich. Außerdem hat sie es doch auf Zlatan abgesehen, und den muss sie ja erst einmal finden …«
»Das mag so sein«, räumt Dingeldey ein und wirft ihr einen forschenden Blick zu. »Gar nicht so sicher bin ich mir aber, dass das Polizisten waren, die sich von dieser Olga haben übertölpeln lassen«, meint Dingeldey. »Die ganzen Umstände deuten auf jemand anderen – erlaubst du, dass ich deshalb kurz einen Anruf versuche?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, nimmt er eine Visitenkarte, die in der rechten Ecke seiner Schreibunterlage steckt, und wählt eine der darauf angegebenen Nummern.
Barbara schaut ihm zu, soweit sie sehen kann, ist es eine Visitenkarte mit einer imitierten Schreibschrift. Was tut sie hier eigentlich? Sie ist in den falschen Film geraten, und das Schlimmste ist, dass dieser Film nicht gut ausgehen kann.
Der Teilnehmer meldet sich nicht, nur ein Anrufbeantworter, Dingeldey spricht eine kurze Nachricht, man möge ihn zurückrufen. Dann wendet er sich Barbara zu: »Also …«
»Ich hab dich nicht wegen dieser Olga sprechen wollen«, unterbricht sie ihn. »Du bist doch ein Organ der Rechtspflege?«
»Wie bitte?« Dingeldey schrickt hoch. »Natürlich bin ich das, wie alle Anwälte.«
»Schön«, kürzt Barbara ab, holt das Notebook aus der Plastiktüte und stellt es vor Dingeldey auf den Schreibtisch. »Dieses Gerät ist irgendwie seinem rechtmäßigen Eigentümer abhandengekommen, und ich hab’s … gefunden, so könnte man es nennen. Dich bitte ich nun zu prüfen, ob sich aus dem Inhalt der rechtmäßige Eigentümer ermitteln lässt, ferner, ob in den darin gespeicherten Dateien Hinweise auf strafbares Verhalten Dritter enthalten sind. In diesem Fall solltest du alle geeigneten Schritte … Was hast du?«
Dingeldey hat sich, die Arme vor der Brust verschränkt, in seinem Schreibtischsessel zurückgelehnt und betrachtet sie mit einem Blick, der fast besorgt scheint.
»Willst du einen Schnaps?«, fragt er zurück. Ohne eine Antwort abzuwarten, steht er auf, öffnet ein Fach in seinem Regal. »Kognak, Whisky, Slibowitz?«
»Slibowitz«, sagt Barbara. »Aber warum?«
»Weil es deinem Vortrag an einer gewissen Stringenz fehlt«, erklärt er, stellt zwei Schnapsgläser auf den Schreibtisch und füllt sie auf. » Uzdravlje !«
Barbara nimmt einen Schluck und atmet tief durch.
»Also«, sagt Dingeldey, der sein Glas gekippt hat und es jetzt wieder abstellt, »ihr habt offenbar das Notebook dieses Abgeordneten aufgetrieben, und jetzt soll ich das Ding durchsehen und gegebenenfalls auswerten, aber die Herkunft nicht preisgeben. Richtig so?«
Barbara will eine Antwort geben, aber das Telefon klingelt und schneidet ihr das Wort ab. Dingeldey meldet sich, unterbricht den Anrufer dann aber sofort:
»Herr Hornisser, ich bin Ihnen sehr für Ihren Rückruf verbunden, aber ich würde gerne die Freisprechanlage einschalten, denn ich habe eine Besucherin hier, die sehr an unserem Thema Anteil nimmt, es ist die Professorin Barbara Stein …«
Es scheint kein Einwand zu kommen, und plötzlich erfüllt die Stimme eines etwas schleppend sprechenden Mannes das Zimmer:
»Dann darf ich der Dame erst einmal einen guten Abend wünschen, meinen Namen wird sie jetzt ja schon kennen … Nun bin ich von Ihnen angerufen worden – was also kann ich für Sie tun?«
»Erst einmal dürfen Sie mein Kompliment entgegennehmen«, erklärt Dingeldey. »Ganz offenkundig habe ich die Potenziale Ihres Auftraggebers
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