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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Haus hat? Nun gut, sie selbst hat Berndorf am Morgen aus dem Haus geschickt, damit er nicht im Weg ist. Über alldem darf sie nicht vergessen, Manuela dafür zu loben, wie schön die Fenster geworden sind und wie genau man wieder alles sieht! (Vor allem, dass die Möbel abgewohnt und die Teppiche fleckig geworden sind, aber das sagt sie nicht.)
    Aber muss es wirklich sein, dass in genau dem Augenblick, als die letzte Vorhangrolle glücklich wieder eingefädelt ist, jemand die Wohnungstür aufschließt und unangebracht fröhlich mitteilt, er sei wieder da? Barbara fährt sich über die Stirn und will etwas nicht ganz so Freundliches antworten, als sie sieht, dass Berndorf nicht allein ist. Neben ihm steht – in schmuddligen Jeans und einem speckigen Anorak – ein halbwüchsiger Junge mit ungewaschenen blonden Haaren und frisch erblühten Pickeln auf der Stirn.
    »Das ist die Barbara Stein, und das ist der André«, kürzt Berndorf die gegenseitige Vorstellung ab. Barbara sagt, dass das aber schön sei und drückt Andrés Hand, dessen Fingernägel sorgfältig abgekaut sind.
    Berndorf stellt in der Garderobe eine Sporttasche ab und eine Plastiktüte, die von einem flachen rechteckigen Ding ausgebeult ist. »Das sind Andrés Sachen«, erklärt er, »was wir halt auf die Schnelle einpacken konnten. Ich denke, er sollte heute hier übernachten.«
    »Kein Problem«, meint Barbara und atmet einmal scharf durch. »Er kriegt die Liege in deinem Arbeitszimmer.« In der Tür erscheint Manuela und wird ebenfalls vorgestellt, dabei will sie nur ankündigen, dass sie sich jetzt die Küche und danach das Bad vornehmen wird. Das alles wird dauern, und so erkundigt sich Barbara bei Berndorf, ob er und André schon irgendwo etwas gegessen hätten. Nein, kommt die Antwort, dazu hätten sie nun keine Zeit gehabt, und so wirft sich Barbara den Mantel über, und alle drei ziehen in die Eckkneipe ab, so dass Manuela ungestört weiter wüten kann.
    Auf dem Weg in die Eckkneipe plaudert Barbara vom Frühjahrsputz, und dass sie Berndorf und den André nach dem Essen am liebsten ins Kino schicken würde, hier in Dahlem gebe es eines, das bringe zur Zeit alte Western, ob so etwas Gefallen finden könnte? André meint, doch, das würde er sich schon ansehen.
    In der Eckkneipe werden sie mit einer Freundlichkeit empfangen, die etwas distanzierter oder vorsichtiger scheint als zuletzt. Barbara begnügt sich mit einem Salatteller, André und Berndorf bestellen sich Pasta, dazu gibt es Mineralwasser und für André eine Apfelschorle.
    »Ihr habt einen aufregenden Vormittag gehabt?«, fragt Barbara schließlich.
    »Aufregend?«, fragt Berndorf zurück und schaut André an. »Es ging. Wir waren am Hauptbahnhof.«
    André wirft einen fragenden, vielleicht auch nur unsicheren Blick auf Barbara. »Ja«, sagt er schließlich, »ganz oben. Bei den Fernzügen.«
    »Früher«, meint Barbara, »wenn ich auf einem Bahnhof war, hab ich versucht auszurechnen, wer wohin fährt. Manchmal war das natürlich leicht. Wenn auf der Anzeigetafel steht, der Zug fährt nach Oberstdorf, und die Leute hängen auf dem Bahnsteig in Wintersportklamotten herum, dann gibt’s da nicht viel herumzurätseln. Aber wenn es einer von diesen Fernzügen ist, sagen wir mal über Prag nach Wien und Budapest, da kann das schon spannend sein: Wer steigt wo aus? Und woran sieht man das?«
    »Auf dem Flughafen könnte man das auch machen«, wirft André ein. »Also zu überlegen, wer fliegt zum Beispiel nach New York. Das müsste natürlich sein, bevor die Leute zu den Gates gehen.«
    Und woran, will Barbara wissen, könne man einen New-York-Passagier von anderen unterscheiden?
    »Also wenn es zum Beispiel ein Banker ist …«, schlägt André vor. »Also so einer in einem dunklen Anzug und mit spitzen schwarzen Schuhen und mit so einem schwarzen Köfferchen, wo der Laptop drin ist. Da wüsste man, dass er entweder nach New York oder nach London will. Und dann hängt es auch von der Tageszeit ab. Am frühen Nachmittag wird kein Banker nach London fliegen, weil, bis er ankommt, hat die Börse geschlossen.« Mit sich selbst zufrieden, trinkt er entschlossen einen großen Schluck Schorle.
    »Wow!«, macht Barbara, »ich bin beeindruckt … das mit der Börse – woher weißt du das?«
    »Hat mir der Bilch erklärt«, kommt die Antwort. »Der Bilch war ja selber so eine Art Banker, und er hat mir auch erzählt, dass London eine tolle Stadt ist, fast so toll wie New York. Und bevor man in New

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