Schlangenkopf
huscht über Motorhaube und Türen, zeigt aber keine verdächtigen Kratzer oder Wischspuren auf.
Er steigt ein und startet den Motor, das Auto springt brav an und fliegt auch nicht in die Luft. Als er das Radio einschaltet, hat er – etwas zu laut – die Stimme von Doris Day im Ohr und ihr Que sera sera .Das ist eindeutig zu viel des Guten, und er stellt das Radio wieder ab. Die Straßen sind leer, er kommt zügig voran, aber in seinem Kopf jagen sich die Gedanken, als seien sie in einem Kreisverkehr gefangen und fänden die Ausfahrt nicht.
Sein Büro fährt er so an, dass er kurz auf der anderen Straßenseite halten kann. Kein verdächtiges Licht, keine verdächtigen Spuren am Schloss der Haustür, auch nicht an der Tür zu seinem Büro. Keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, keine E-Mail. Er schließt wieder ab und fährt weiter, macht einen kurzen Halt bei dem koreanischen Lebensmittelladen, kauft eine Flasche Sherry und steuert schließlich die Mulackstraße an, wo er den Wagen unweit des Blocks parken kann, in dem Tamara Feinkind wohnt. Auf dem Gehsteig blickt er zum Dachgeschoss des Hauses hinauf, eines der Mansardenfenster leuchtet in die Nacht. Er will schon bei Feinkind klingeln, lässt es dann aber doch bleiben, als er sieht, dass die Haustür sich ohne weiteres mit einem Plastikstreifen öffnen lässt. Er steigt die Treppen hinauf und hält nach der vorletzten inne, um Luft zu holen. Plötzlich steht er im Dunkeln, worauf er notgedrungen die Stablampe herausholt.
Oben tastet der Lichtstrahl die beiden Wohnungstüren ab, noch immer hängt neben der Tür links der Zettel mit der Aufschrift »Z. Sirko«. Berndorf geht zur Tür rechts und klopft, erst einmal geschieht nichts, dann aber hört er doch kleine trippelnde Schritte, die Tür öffnet sich, Madame Tamara erkennt ihn zunächst nicht, erblickt dann aber die vorgehaltene Flasche Sherry …
»Oh Wanja! Sie Treuloser … Nun sind Sie doch … Treten Sie ein, das ist ja ein Abend wie lange nicht mehr … Ich habe nämlich … aber Sie kennen ihn doch, oder nicht? Aber von ihm erzählt hab ich Ihnen, ganz bestimmt.«
Wieder ist er in dem Mansardenzimmer, die Stehlampe ist eingeschaltet und beleuchtet den kleinen Tisch und die beiden Sessel mit den gedrechselten Beinen, auf dem Tisch stehen eine Flasche Slibowitz und zwei Likörgläser. Der Besucher, der vor ihm gekommen ist, hat sich ins Halbdunkel unter die Dachschräge zurückgezogen, die rechte Hand unter die Jacke geschoben.
»Lassen Sie das alberne Ding stecken, Zlatan«, sagt Berndorf und streckt die Hand aus. »Guten Abend auch!«
Zlatan Sirko zögert, bekommt seine Hand aber doch noch aus dem Sakko. Zum ersten Mal bemerkt Berndorf, dass Zlatan zu den Leuten gehört, die einen Händedruck nicht erwidern, sondern ihn erdulden. Madame Tamara Feinkind hat inzwischen ein weiteres Stühlchen gebracht, so dass sich alle drei um das Tischchen setzen können, das heißt, Madame Tamara muss nun erst noch ein drittes Glas holen …
»Ich dachte mir«, bemerkt Berndorf, »dass Sie Ihre Papiere brauchen, für …« Mit dem Daumen deutete er in eine Richtung, von der er annimmt, dass sie den Norden bezeichnet und damit auch Schweden.
»Es hat keinen Sinn«, antwortet Zlatan. »Ich hätte Ihnen vorher nicht sagen sollen, dass ich dorthin will.«
»So«, sagt Madame Tamara munter, stellt ein Weinglas vor Berndorf, der mit Mühe verhindert, dass sie es bis oben mit Schnaps auffüllt. »Ich kann mir gar nicht erklären, wo … da sehen Sie, wie lange ich … also keine zwei Herren mehr gleichzeitig! … aber ich wusste, Sie …« Sie tätschelt Berndorf den Arm. »Der arme Zlatan! … Stellen Sie sich vor … richtig verkrochen hat er sich … wenn ich nicht die Wasserspülung … dabei kenne ich das, oh Wanja! Wie ich das kenne, nur zu gut … wenn man gar niemand mehr sehen kann und ertragen … aber heute Nachmittag hab ich mir gedacht, da müssen wir jetzt … Und sagen Sie selbst, ist es nicht ein ganz reizender Abend …« Sie nimmt ihr Likörglas, kippt es in einem Zug und behält es auffordernd in der Hand. Zlatan versteht den Wink und füllt auf.
»Olga ist wieder draußen«, teilt Berndorf mit. Zlatan zuckt mit den Achseln, aber Madame Tamara ist sofort hellwach. »Was höre ich da? Olga? Eine Verehrerin von Ihnen, Wanja? Oder sollte Zlatan? Das müssen wir aber!«
»Ich glaube nicht, dass sie hierherkommt«, sagt Zlatan.
»Oh, bist du deswegen so?« Madame Tamara hat plötzlich ganz
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