Schlangenkopf
Beruf, ohne recht etwas zu können, gerät in den Bürgerkrieg, das bisschen Soldatenspiel hat er wohl schon vorher gelernt, macht aber auch damit nicht sein Glück, ganz im Gegenteil, er gerät bald in Gefangenschaft, im Lager schließt er sich einem anderen armen Teufel an, einen Cafetier, der in das Lager gekommen ist wie die Jungfrau zum Kind. Und weil sie sonst nichts zum Reden haben und das Essen, wenn sie denn überhaupt eines bekommen, ein grauenvoller Schlangenfraß ist, erzählt der Cafetier vom Kochen und Zubereiten und richtigen Servieren und wie man einen wirklich erstklassigen bosanska Kahva macht …« Berndorf hat aufgehört zu reden und trinkt erst einmal einen Schluck.
»Ich fürchte, für den Cafetier geht die Geschichte nicht gut aus«, bemerkt Dingeldey, der sich inzwischen wieder hinter seinen Schreibtisch gesetzt hat. »Wer war denn der Mann, den sich die deutschen Abgeordneten hatten zeigen lassen?«
»Das war wohl der richtige Sirko«, antwortet Berndorf und nimmt auf dem Besuchersessel Platz. »Übrigens bin ich ein unaufmerksamer Trottel. Unser Zlatan, also Zlatan Zwo, hat mir – absichtlich oder nicht – einen Hinweis gegeben, der mich viel früher hätte misstrauisch machen müssen. Als ich ihm sagte, sobald seine Aussage in Den Haag vorliege, werde Mesic andere Sorgen haben, als ihn zu liquidieren – da gab er mir zur Antwort: Sie kennen Mesic nicht, und ich hab nicht darüber nachgedacht, was das bedeutet.«
»Es bedeutet«, wirft Dingeldey ein, »dass sich der General Mesic von den deutschen Abgeordneten eben nicht hat abkanzeln lassen wie ein Schulbub, nicht wahr?«
»Er hat sich ein Spassettche’ gemacht, so nennt es Zlatan Zwo, ich weiß nicht, wo er den Ausdruck herhat«, antwortet Berndorf. »Wie von der deutschen Delegation gewünscht oder befohlen, kam ein Krankenwagen, um den richtigen Zlatan Sirko abzuholen, ein Krankenpfleger wurde auch mitgeschickt, und dann ist der Fahrer mit dem Krankenwagen in den Wald gefahren, das Weitere können Sie sich denken.«
»Der Krankenpfleger«, sagt Dingeldey, »bei dem es sich ja wohl um Zlatan Zwo gehandelt haben wird, hat die Leiche begraben oder in eine Doline werfen müssen? Und dann?«
»Dann hat Zlatan Zwo dem Fahrer mit der Schaufel eins über den Kopf gegeben und ist mit dem Krankenwagen und dem Entlassungsschein des richtigen, des toten Sirko getürmt.« Berndorf schweigt und sieht den Gasbläschen in seinem Mineralwasser zu, wie sie aufsteigen und zerplatzen.
»Irgendetwas kommt mir da bekannt vor«, bemerkt Dingeldey.
»Mir auch«, gibt Berndorf zurück.
»Er sagt, er sei Krankenpfleger gewesen«, wiederholt Dingeldey nachdenklich. »Das lässt mich vermuten, dass er in der Lagerhierarchie zu den Kalfaktoren gehört hat, die für die Aufseher deren schmutzige Arbeiten erledigen. Mag sein, dass man ihm eine Pistole in die Hand gedrückt und ihm befohlen hat, den Genickschuss zu setzen. Und der Fahrer hat zugeguckt und sich ein Zigarettchen angezündet. Und plötzlich hat auch er ein Loch im Kopf gehabt …«
»Keine Pistole«, meint Berndorf. »Ich fürchte, es wird eher ein Knüppel gewesen sein.«
»Auch möglich. Und wie sind Sie mit Zlatan Zwo verblieben?«
»Ich hab ihm gesagt, dass er nicht länger davonlaufen kann. Und anderen erbaulichen Scheiß. Was man halt so daherredet.«
»Sie sind missvergnügt, mein Lieber«, rügt Dingeldey. »Dazu besteht keinerlei Anlass.« Mit einer ausladenden Handbewegung zeigt er auf das Notebook. »In der Zusammenschau geben die hier gespeicherten Dokumente einen umfassenden Überblick über ein bemerkenswert erfolgreiches Engagement von Bundestagsabgeordneten. Wollen Sie die Geschichte hören?«
»Nur zu«, meint Berndorf. »Es ist immer schön, von Leuten zu hören, denen das Leben gelingt.«
»Davon habe ich nun gerade nicht gesprochen«, sagt Dingeldey. »Aber gut! Noch während des jugoslawischen Bürgerkriegs gründet eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten zusammen mit einem kroatischen General und Rüstungsstaatssekretär – dreimal dürfen Sie raten, wie der heißt – sowie einem Regierungsdirektor des Bundesnachrichtendienstes eine Schweizer Firma mit dem schönen Namen Hephaistos AG und Sitz in Basel, wobei dieses Unternehmen beziehungsweise eine Tochterfirma davon in den folgenden Monaten mit der im Krieg befindlichen Republik Kroatien Geschäfte in der Größenordnung von umgerechnet über hundert Millionen US-Dollar abwickelt. Finanziert wird das über die
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