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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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wolltest du dich mit mir treffen?«
    »Na gut«, sagt Matthaus. »Stichwort: Oheymer & Jaumann. Wie ich dich kenne, weißt du, dass ich an der Investorengruppe beteiligt bin, die jetzt die Übernahme durch die Landesbank Süd in die Wege geleitet hat.«
    »Du bist nicht an der Investorengruppe beteiligt«, korrigiert ihn Fausser, »sondern du hast sie organisiert. Und jetzt willst du Kasse machen.«
    »Richtig«, sagt Matthaus. »Wir wollen das, nicht ich. Und wir wollen es, nachdem wir Oheymer & Jaumann über ein paar Untiefen hinweggeholfen haben, vergiss das nicht. Aber einfach bloß Kasse machen …« – wieder beugt sich Jörg Matthaus vor und blickt Fausser fast beschwörend an – »… einfach bloß Kasse machen, das geht mit mir eben nicht.«
    »Und deshalb hast du dir etwas ausgedacht?«
    »Ausgedacht – das klingt abschätzig«, antwortet Matthaus. »Hör mich doch erst einmal an. Natürlich ist das eine sehr erfolgreiche Operation, die wir jetzt zum Abschluss bringen. Aber gerade deshalb ist es nur recht und billig, wenn wir ein Teil der Wertschöpfung, die wir für Oheymer & Jaumann realisiert haben, der Region zurückgeben, in der dieser Erfolg erzielt wurde. Bist du soweit einverstanden?«
    »Ich höre dir zu«, sagt Fausser. »Sehr aufmerksam tue ich das. Wenn Banker davon reden, einen Teil der Wertschöpfung zurückzugeben, dann kann unsereins gar nicht aufmerksam genug zuhören.«
    »Du bist ein alter Zyniker, aber damit kannst du mich nicht mehr erschüttern.« Jörg Matthaus lehnt sich zurück, und weil er ein großer Mann ist, sieht das so aus, als sei er plötzlich noch einen guten halben Kopf größer geworden. »Was hältst du von einer Stiftung Weltkulturerbe Adria – also einem Projekt, das einen Beitrag sowohl zum Erhalt der kunstgeschichtlichen und städtebaulichen Substanz als auch zum Schutz der ökologischen Vielfalt …«
    »Stopp«, unterbricht ihn Fausser. »Warum erzählst du das gerade mir?«
    »Weil ich deine Meinung dazu hören will«, antwortet Matthaus. »Weil du immer wieder mal da unten gewesen bist. Weil du viele der Projekte dort unten kritisch siehst. Weil ich jemanden brauche, von dem man weiß, dass er sich nicht als Strohmann für ein paar geldgeile Investoren hergibt.« Er beugt sich vor und versucht, Faussers Blick festzuhalten. »Weil ich ehrliche Leute für ein ehrliches Projekt suche.«
    Fausser gibt den Blick zurück, aber plötzlich zuckt es um seinen Mund. »Na schön. Und wie viel springt dabei für mich heraus?«, fragt er unvermittelt.
    Matthaus blickt auf. Aber bevor er antworten kann, kommen auch schon die Kellner mit dem Essen, und Fausser – wieder dieses angedeutete Lächeln im Gesicht – greift zur Serviette und breitet sie aus.
    M issbilligend blickt der Mann im grünen Laborkittel zu Nezahat. Irgendetwas passt ihm nicht. »Die Leiche ist nicht bekleidet«, sagt er schließlich.
    »Er war mein Bruder«, antwortet Nezahat.
    Der Wärter zuckt die Schultern und zieht – nachdem er sich vergewissert hat, dass es das richtige ist – eines der Fächer auf. Ein Tuch bedeckt, was darin liegt, der Mann schlägt das Tuch so weit auf, dass der Kopf eines toten jungen Mannes freiliegt.
    »Ich will ihn ganz sehen«, sagt Nezahat. Der Mann zieht das Tuch vollends ab. Was kommt zum Vorschein?
    Ein magerer Körper. Bleiche Haut. Schwärzlicher Flaum an Oberschenkeln und Bauch, in obszönem Kontrast zum abrasierten Schamhaar, das Gemächt beschnitten, ohne den Schutz des Schamhaars ein seltsam anmutender Wurmfortsatz. Das Gesicht? Aus dem Gesicht eines Toten spricht der Tod. Oben, an der Stirn, eine ausgeblutete Wunde, aufgeschürft beim Sturz auf das Kopfsteinpflaster. Was sich in diesem Gesicht sonst widergespiegelt haben mag, ist weggewischt und ausgelöscht und zählt nicht mehr.
    Berndorf hat nun doch nicht nur einen Blick auf den Toten geworfen. Nun beobachtet er Nezahat, den toten Bruder betrachtend.
    Was sieht er? Nichts. Frauen können, was die existenziellen Dinge angeht, sehr ungerührt sein. Er weiß das. Diese da: Ist sie ungerührt? Das Gesicht ist noch immer blass, keine Miene verzieht sich, nur um den Mund ist ein Zug, der ihm vorher so nicht an ihr aufgefallen ist. Aber er kann ihn nicht deuten. Ein Zucken läuft über ihren Mund und ist auch schon wieder verschwunden, Nezahat hat genug gesehen, das Tuch wird wieder über den Toten gebreitet und das Fach zugeschoben. Weil die Spurensicherung offenbar bereits abgeschlossen ist, bekommt Berndorf

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