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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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– nachdem er die von Kemal Aydin ausgestellte Vollmacht vorgelegt hat – einen Leinensack mit den Habseligkeiten des Toten ausgehändigt. Schwarze Jeans sind darin, eine Lederjacke, Unterwäsche, die Berndorf lieber nicht genauer betrachtet, dazu ein verschließbarer Plastikumschlag mit ein paar Geldscheinen, zwei Schlüsselbunde und einem Ding, das eine Art Gebetskette sein könnte, und einem Springmesser. Berndorf, der das alles durchsieht, denn er muss den Erhalt quittieren, hebt kurz die Augenbrauen. Hat Regulski den Toten vielleicht nur deshalb für einen Kriminellen gehalten, weil ihm das Messer danach aussah?
    »Das ist die falsche Jacke«, sagt eine feste Stimme. Berndorf und der Wärter blicken auf. Nezahat hat die Jacke hochgenommen und hält sie mit ausgebreiteten Armen vor sich, so dass sie das Rückenteil der Jacke begutachten kann. Die Jacke ist aus schwarzem glattem Leder, tailliert, und der Schulteransatz und die Rückentaille sind mit weißen Streifen markiert – das heißt, das Weiß ist mit allerhand grauen Eindrücken und Anhaftungen überzogen.
    »Und wie sieht die richtige Jacke aus?«
    »Das müsste ein Blouson sein«, erklärt Nezahat. »Auch schwarz. Aber kein glattes Leder, und nicht mit diesen weißen Streifen.«
    Berndorf nimmt nun selbst die Jacke und durchsucht die Taschen. Er findet nichts, keine Zettel mit irgendwelchen hilfreichen Anschriften oder Telefonnummern, überhaupt nichts. Wenigstens notiert er sich das Label, aber es sagt ihm nichts. »Nochmal bitte«, sagt Berndorf. »Diese Jacke gehört nicht Ihrem Bruder?«
    »Nein, hab ich nie an ihm gesehen. Und den Blouson hätte er auch nicht hergegeben, nicht gegen dieses Teil.«
    »Was mach ich jetzt damit?«, fragt der Wärter.
    »Rufen Sie Regulski an und sagen Sie ihm einen Gruß von mir … Moment.« Berndorf holt sein Handy heraus und lässt Nezahat die Jacke so halten, dass er sie fotografieren kann. »Einen schönen Gruß sagen Sie ihm, und dass er diese Jacke hier als Beweisstück sicherstellen soll.«
    »Und als Beweisstück wofür, bitte?«
    »Als Beweisstück für ein Verbrechen der vorsätzlichen Tötung«, antwortet Berndorf. Er nimmt einen Kugelschreiber und unterzeichnet die Quittung für die Hinterlassenschaften des dahingeschiedenen Murad Aydin, einschließlich eines Geldbetrags von 62 Euro und 45 Cent.
    Nur den Posten: 1 Lederjacke, schwarz– den streicht er durch.
    Draußen weht eine angenehme Brise aus Westen, aber Nezahat will ihn nicht länger begleiten.
    »Ich danke Ihnen«, sagt sie, »ich weiß jetzt, dass er tot ist, wirklich tot. Aber jetzt möchte ich gern allein sein.«
    »Nur einen Augenblick, bitte!«, antwortet er, bleibt stehen und holt – während die Passanten links und rechts an ihm vorbei drängen – die verschließbare Plastiktasche heraus und daraus wieder die beiden Schlüsselbunde. »Haben die beide Ihrem Bruder gehört?«
    Nezahat nähert sich widerstrebend, eine scharfe Falte in die Stirn gekerbt. Sie betrachtet die Schlüssel, deutet dann auf den kleineren Bund. »Das da sind unsere Haus- und Wohnungsschlüssel. Die anderen kenn ich nicht. Die hab ich nie gesehen.«
    F ausser geht durch einen weiten hellen Korridor, an dessen Ende eine Toilette sein muss. Die Erinnerungen an das Gespräch mit Matthaus surrt ihm im Kopf herum wie eine verirrte, aber anhängliche Fliege. Vor allem weiß er nicht, ob er amüsiert sein soll oder empört. Aber was eigentlich ist so anstößig an Matthaus’ Angebot? Es wäre ja schrecklich, wenn es kein Leben nach der Politik gäbe, und wenn der eine Gas verkauft, warum soll ein anderer nicht als Frühstücksdirektor für die Alibi-Stiftung eines Investorenkonsortiums Hände schütteln? Lustig wäre es freilich, wenn Holtzenpflug und Matthaus ihr Vorgehen abgesprochen hätten, vielleicht auf eine dringende Bitte aus der Münchner EuroStrat-Zentrale hin …
    Der Korridor nimmt kein Ende. Vielleicht ist genau das sein Berlin: Korridore, endlos, und hastende Aktentaschenträger, ebenfalls endlos. Jemand kommt ihm entgegen und blickt und grüßt. Als er es bemerkt, ist der andere schon vorbei. Dann kommt sie doch noch – links – die Toilette, weiß gekachelt, vom Neonlicht durchflutet, er stellt sich ans Urinal, kümmerlicher Strahl, na und?
    Er knöpft den Hosenschlitz wieder zu, das heißt, tun will er es, aber die rechte Hand greift ins Leere, er wendet sich dem Waschbecken zu, hat plötzlich die Eingebung, er sollte sich das Sakko ausziehen und die

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