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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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hoch, in das Gesicht des Hausverwalters Kroppenschmitt, und zuckt zurück, denn der Atem des Hausverwalters riecht nach Schnaps.
    »Willst du mich nicht hereinbitten?«, fragt Kroppenschmitt. »Ich hätte gerne deine Mutter gesprochen, wenn’s recht ist. Wir hätten ein paar Takte zu bereden, deine Mutter und ich, und ein Briefchen hab ich auch für sie. Nun, wie steht es? Darf ich eintreten?«
    »Meine Mutter ist nicht da«, antwortet André entschlossen und stellt sich dem Verwalter in den Weg. »Sie ist zur Erholung.«
    »Zu Erholung, ja?«, echot Kroppenschmitt und schiebt André zur Seite. »In einem Heim, wie? Trotzdem würde ich mir eure Wohnung gerne mal ansehen, das steht mir sogar zu, weißt du das?« Er geht über den Korridor und wirft einen Blick in die Küche und einen Blick ins Bad und zieht den Duschvorhang zurück und mustert mit seinem Brillengesicht das Handwaschbecken. »Ich hab ja schon Schlimmeres gesehen, aber deine Mama könnte ruhig auch einmal feucht wischen!« Er geht weiter, wirft einen Blick in Andrés Zimmer und einen in das von Elke, aber was soll da zu sehen sein? André hat immer aufgeräumt, die Wolldecke über der Bettcouch liegt festgezogen da, alles ist an seinem Platz und unverändert, nur der Stapel Briefe auf dem kleinen Tisch am Fenster ist größer geworden mit der Zeit, aber das kann der Hausverwalter nicht wissen.
    »Ja, so!«, sagt Kroppenschmitt, »deine Mama ist zu Erholung! Hast du ja erzählt. Hättest du ihr die Post nicht nachschicken sollen?«
    »Nein«, antwortet André mit fester Stimme. »Der Arzt hat gesagt, dass sie Ruhe braucht.«
    »Und dass sie keine Miete überweisen soll, das hat vermutlich auch der Arzt gesagt, was?« Mit einer raschen Bewegung zieht Kroppenschmitt einen Brief hervor und drückt ihn André in die Hand. »Hast du ihn, ja? Dann erklär ich dir auch, worum es geht: Ich habe euch soeben die Wohnungskündigung zugestellt.« Er betrachtet den Jungen. »Eigentlich ist es ja schade, du bist ein hübsches Kerlchen. Wir hätten Freunde werden können. Aber unsere Wege werden sich wohl trennen, es sei denn …«
    »Hören Sie«, sagt André rasch. »Meine Großmutter, also meine Großmutter kümmert sich um diese Sachen, und wenn was an der Miete fehlt, wird sie Ihnen das Geld gerne geben. Wie viel muss es denn sein?« Bittend hält er den Brief hoch, damit Kroppenschmitt ihn zurücknimmt.
    »Das sind ja ganz neue Töne!« Kroppenschmitt merkt auf. »Aber bitte. Also, ihr seid mit drei Monatsmieten einschließlich der Umlagen in Rückstand, das sind siebzehnhundertvierzig Euro. Wenn deine Großmutter das in Ordnung bringt, will ich gern mit meinem Vorgesetzten reden, aber wenn etwas geschehen soll, dann schnell.«
    »Ich fahr gleich zu ihr«, sagt André, »sicher kann ich Ihnen heute Abend schon etwas bringen, aber mehr als tausend, die hat sie sicher nicht.«
    »Nein«, antwortet Kroppenschmitt bedächtig, »das glaube ich auch nicht, dass deine Großmutter einen so großen Geldbeutel hat, tausend Euro sind mächtig viel Schotter. Aber …« Wieder wandert sein Blick über André. »Sieh mal zu, was du auftreiben kannst. Ich bin kein Unmensch. Aber das da …« Er deutet auf den Brief, den André ihm noch immer entgegenhält, »das ist eine Urkunde, und sie ist nun einmal zugestellt. Wenn du und deine Großmutter sich Mühe geben, können wir die Kündigung ja zurücknehmen, sag ihr das. Du weißt, wo mein Büro ist? Komm auf jeden Fall heute Abend vorbei.« Ein Lächeln legt seine Zähne frei, die etwas zu weiß sind. »Ich werde auf dich warten.«
    D as Haus ist grau verputzt, wobei dem Grau irgendwann bei der letzten Renovierung Anfang der Neunziger Jahre eine Andeutung von puddingfarbenem Lila beigemischt worden ist. Das Sicherheitsglas der Haustür ist geborsten, und vom Türrahmen blättert der Lack. Berndorf betrachtet das Klingelbrett, offenbar stehen einige Wohnungen leer, oder ihre Bewohner halten es für entbehrlich, ihre Namen auszuhängen. Das Schild mit dem Namen »Z. Sirko« hätte er fast übersehen, kein Wunder, es findet sich in der untersten Reihe des Klingelbretts, der Name ist mit einem Kugelschreiber auf einen Fetzen Papier gekritzelt und nahezu unleserlich.
    Er klingelt, aber es rührt sich nichts. So nimmt Berndorf den Schlüsselbund, von dem er annimmt, dass er dem irgendwie abwesenden und nicht erreichbaren Hotelangestellten Zlatan Sirko gehört, erwischt beim zweiten Versuch den richtigen Schlüssel und tritt ein. Es

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