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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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die hinter ihm zugeht.
    »Es war der Blouson«, sagt Nezahat. »Ganz bestimmt.«
    »Na gut«, meint Berndorf, »warten Sie hier auf mich.«
    Er überquert die Straße und betritt ein zweites Mal das Café, wieder ist es leer bis auf den glatzköpfigen Wirt. Wenigstens bemerkt er diesmal die Tür, die in ein Nebenzimmer führen muss, offenbar ist das Nebenzimmer die eigentliche Attraktion des Lokals.
    »Sie schon wieder?« Der Glatzkopf scheint nicht sehr erfreut.
    »Ihr Espresso hat es mir angetan«, antwortet Berndorf. »Machen Sie mir noch einen?«
    Der Wirt wendet sich zur Espressomaschine und macht sich daran zu schaffen. Berndorf lehnt sich an den Tresen und sieht ihm zu und der Schlange, die auf dem Oberarm des Glatzkopfs ihre Giftzähne zeigt.
    »Schönes Tattoo«, bemerkt er.
    Der Wirt schiebt den Einsatz mit dem frischen Espressopulver in die Maschine und schaltet sie ein.
    »Ich wette, das ist nicht in einem x-beliebigen Studio gestochen worden«, fährt Berndorf fort. »Eine sehr individuelle Handschrift, Kenner müssten sofort wissen, wo das war …«
    Die Espressomaschine faucht.
    »Hohenschönhausen? Bautzen vielleicht?«
    Der Wirt stellt das Espressotässchen vor ihn hin und blickt ihn aus Augen an, die leicht gelblich sind und etwas blutunterlaufen. »Ihnen ist schon klar, dass ich hier das Hausrecht habe?«
    »Kein Problem, nirgends«, beschwichtigt Berndorf. »Ganz im Gegenteil will ich Ihnen ein Problem vom Hals halten … das heißt, vor allem will ich den feinen Espresso da, besten Dank auch!«
    »Sie wollen mir ein Problem vom Hals halten? Sehr freundlich, aber hab ich Sie darum gebeten?«
    Berndorf trinkt einen Schluck, dann schüttelt er den Kopf. »So kommen wir nicht weiter. Also: Der Mann, dessen Foto ich Ihnen vorhin gezeigt habe, ist gestern Nacht ein paar hundert Meter von hier totgefahren worden. Kann passieren. Leider steckte die Leiche in der falschen Jacke. Es hätte ein schwarzer Lederblouson sein müssen. War es aber nicht.« Erstmals spricht Berndorf nicht weiter, sondern betrachtet den Wirt.
    »Und?«, sagt der.
    »Ich dachte, Sie hätten verstanden«, fährt Berndorf fort. »Der Unfall war möglicherweise kein Unfall. Deswegen könnte es sein, dass der schwarze Lederblouson dem, der ihn gerade trägt, kein Glück bringt. Sondern jede Menge Bullerei und Hausdurchsuchung und sonstigen Trouble, das ist alles nicht so lustig, wie Sie sich vielleicht ja vorstellen können …«
    »Worauf soll das hinaus?«
    »Man hat ja schon Pferde kotzen sehen«, sagt Berndorf und deutet auf die Tür zum Nebenzimmer. »Und falls einer der Herrschaften dort hinter der Tür zufällig einen schwarzen Lederblouson trägt, und zwar erst seit heute oder gestern Nacht, dann wäre es vielleicht doch besser, man gäbe das Teil kurz und schmerzlos heraus, bevor dieser ganze andere Zauber losbricht …«
    »Einen Augenblick noch«, sagt der Wirt, »dieser Unfall, von dem Sie da reden – war das die Sache am Garnisonfriedhof? Und der über den Jordan ist, das war dieser Murad?«
    Berndorf schaut ihn an. »Ja«, antwortet er schließlich, »das war dieser Murad, den Sie nicht kennen, aber wenn Sie mir das verdammte Teil holen, dann sind Sie mich auf der Stelle los …«
    Kurz darauf verlässt Berndorf das Café, einen schwarzen Lederblouson überm Arm, und geht über die Straße zu der dunklen Gestalt, die noch in einem Hauseingang wartet.
    »Hat das Murad gehört?«
    Nezahat ist auf den Gehsteig herausgetreten, nimmt den Blouson und schaut im Licht der Straßenlaterne nach dem Etikett.
    »Ja«, sagt sie dann. »Aber wieso …?«
    »Murad hat sich gestern mal wieder abzocken lassen«, antwortet Berndorf. »Und zwar so lange, bis er nur noch den Blouson hatte … Dann war er auch den los.«
    B arbara Stein, die ein ausgiebiges Bad genommen hat, steht in ihrem beigen Bademantel vor dem Kühlschrank und hält eine Flasche Whisky gegen das Licht. Die Flasche ist nicht mehr sehr voll. Nach einem kurzen Zögern stellt sie sie zurück, schließt den Kühlschrank und holt sich aus einer Schublade eine Packung Aspirin. Sie reißt die Verpackung einer Tablette auf, wirft sie in ein Glas und schüttet Wasser dazu. Als das Aspirin milchig aufschäumt, geht sie mit dem Glas ins Arbeitszimmer und setzt sich mit dem Rücken zu ihrem Schreibtisch, so dass sie Berndorf betrachten kann, der im Schein der einzigen eingeschalteten Lampe am anderen Tisch noch immer mit seinem Laptop beschäftigt ist und in irgendwelchen Dateien

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