Schlangenkopf
herumkramt.
»Was suchst du da?«
»Und du – was trinkst du da?«
»Ich hab zuerst gefragt!«
»Material zum Jugoslawien-Krieg. Und einen Fotografen. Einen Sowieso Örtlein.«
Barbara Stein lehnt sich zurück, als könne sie so die Verspannung in ihrem Nacken lösen. »Zum Jugoslawienkrieg wirst du kaum Brauchbares im Netz finden. Krieg ist das Substrat der Unwahrheit, und das Internet ist ihr Schwarzes Brett. Vielleicht kannst du bei uns im Institut etwas finden. Eines der wenigen guten Bücher zu diesem Krieg heißt: Die Kultur der Lüge …«
»Von einer Frau geschrieben?«
»Aber ja doch. Von einer kroatischen Schriftstellerin.«
»Mag man sie in Kroatien dafür?«
»Kaum.« Barbara Stein trinkt einen Schluck und verzieht das Gesicht. »Ist es eigentlich stillos, Whisky im Kühlschrank aufzubewahren?«
»Vermutlich. War denn noch welcher da?«
»Ein schäbiger Rest. Ich hab dann doch lieber eine Aspirin genommen.«
»Kopfweh?« Berndorf hat offenbar etwas gefunden und notiert sich eine Anschrift.
»Verspannt. Kopfweh. Genervt. Zu viel Geschwätz angehört, zu viele Wichtigtuer und Umstandskrämer und Tagungsgockel, und selbst hab ich auch zuviel geredet.«
»Glaub ich nicht.«
»Alter Lügner!«
»Ich hab in der Zeitung was über dich gelesen.« Berndorf schließt das Programm, das er aufgerufen hat, und wartet, bis die Maske mit dem Hauptmenü aufscheint. »Hab ich das richtig verstanden – der Krieg ernährt die Korruption, und die Korruption ernährt den Krieg?« Er schaltet den Computer aus und wendet sich ihr zu.
»Da könntest du auch sagen, der Krieg ernährt den Krieg«, antwortet Barbara, »und das wäre nun wirklich nichts Neues. Auch das, was dieser Stuttgarter Abgeordnete gesagt hat – dass Ausrüstung und taktische Kriegführung sich nicht nach militärischen Gesichtspunkten richten, sondern nach solchen der Gewinnmaximierung der Rüstungsunternehmen: das ist altlinkes Blabla und war vermutlich zu Krupps Zeiten schon so …«
»Was ist dann neu am Krieg?«
»Dass der Staat als kriegführendes Subjekt verschwindet.« Sie trinkt den letzten Schluck und verzieht das Gesicht. »Das heißt, der Krieg verlagert sich in eine Sphäre, die dem Völkerrecht entzogen ist. So gesehen, ist es nur folgerichtig, dass die Amerikaner den Gefangenen von Guantanamo den Schutz der Genfer Konvention verweigern und inzwischen sogar dazu übergehen, ihren Krieg durch Söldneragenturen führen zu lassen.« Plötzlich muss sie gähnen. »Aber was ist mit deiner Geschichte?«
»Der jugoslawischen?« Berndorf zuckt mit den Achseln, dann steht er auf und bringt ihr den Zeitungsausschnitt, den er von Tamara Feinkind bekommen hat. Barbara Stein stellt das Glas ab und nimmt den Ausschnitt.
»Ich erinnere mich an dieses Foto«, sagt sie dann. »Es hat damals nicht ganz in die politische Landschaft bei uns gepasst, da hatten die Kroaten die Guten zu sein … Wie bist du da drangekommen?«
Berndorf, an den Schreibtisch gelehnt, berichtet von seinem Tag, vom Besuch des Schneiders Aydin, von der Lederjacke mit den weißen Besätzen, von dem Schüsselbund, der einem Zlatan Sirko gehören muss, von den Likören der Tamara Feinkind …
»Was sagst du da?«, unterbricht ihn Barbara Stein. »Du bist an der Wand gestanden und hast gehorcht, wie nebenan die Bullerei herumtrampelt?«
»Hätte ich vielleicht hinübergehen sollen und sagen, ätsch! Ich war vor euch da?«, antwortet Berndorf leicht pikiert. »Das muss Regulski nicht wissen.«
»Was bedeutet das überhaupt, dass er dort war?«
»Irgendwer hat ihn angewiesen. Jemand, der ihn anweisen kann. Warum der Jemand sich für den Verbleib von Zlatan Sirko interessiert … keine Ahnung!« Berndorf zeigt seine leeren Hände vor, in einer Geste der Ratlosigkeit. Er sieht Barbara Stein an, und was er in ihren großen saphirgrünen Augen ahnt, gefällt ihm nicht. »Was hast du?«
Sie schweigt. Plötzlich lächelt sie, es ist ein kleines, ein wenig schiefes Lächeln. »Du bist ganz sicher, dass du weißt, worauf du dich da eingelassen hast?«
D er Bolero von Maurice Ravel, der ist ja immer wieder ganz nett«, gurrt Wanda Kuhlebrock, »aber wer sagt denn, dass es keine andere Musik für – wie nennen wir es jetzt gleich? – für bewegte Zweisamkeit gibt? Macht euch mal bereit, ihr Süßen, ich leg euch jetzt den Tin Soldier auf, das ist die Herz-Schmerz-Bums-Musik-Version von einem Andersen-Märchen, und ganz märchenhaft wird es euch werden, wenn ihr eure Klimax
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