Schlangenkopf
mit einem Ziegenbärtchen spricht Berndorf an, er ist jetzt an der Reihe, also tut er es.
»Ich wusste gar nicht«, sagt er dann beiläufig, »dass sich der Staatsschutz für eure Aktion interessiert. Ich finde, das ehrt euch!«
»Was sagen Sie da?« Ein zweiter junger Mann, größer und bulliger als der Junge mit dem Ziegenbärtchen, hat aufgehorcht. »Staatsschutz? Hier?«
»Dort drüben, an den Aushängen«, mit einer Kopfbewegung deutet Berndorf die ungefähre Richtung an, »blaugrauer Mantel, solides Schuhwerk, lernt gerade das Vorlesungsverzeichnis auswendig.«
»Der dort? Kennen Sie ihn?«
»Nein«, antwortet Berndorf. »Kennen tu ich ihn nicht. Ich weiß auch nicht, ob er vom Staatsschutzdezernat der Polizei ist oder vom Verfassungsschutz. Ganz persönlich würde ich sogar auf den BND tippen, aber das wäre eigentlich vollends absurd. Gehen Sie doch einfach hin und fragen Sie ihn, ob er Student ist oder Dozent oder was er sonst hier tut und in welchem Auftrag.«
Berndorf wendet sich zur Tür. Als er dort angekommen ist, dreht er sich noch einmal um und wirft einen zufriedenen Blick auf den Pulk junger Leute, der sich um den Mann an den Aushängekästen gebildet hat.
Z latan sitzt in dem alten rissigen Ohrensessel, einen Becher Pulverkaffee in der Hand, und starrt vor sich hin. Auf dem Hocker ihm gegenüber sitzt Elfie, und auch sie redet nichts. Über ihnen verbreitet die Deckenlampe ihr Licht, das gerade so hell ist, um die Trübseligkeit aller Dinge aufzuzeigen. Noch am Vormittag waren sie beim Nachlassgericht gewesen, und jetzt wissen sie immerhin, dass sie einen Erbschein brauchen.
Das heißt, Elfie ist es, die den Erbschein braucht. Und deshalb muss ihr Zlatan suchen helfen. Und dafür kann er hier wohnen. Und er bekommt auch zu essen. Das heißt, Zlatan kocht selbst, für beide. Das kann er auch ganz gut, das gibt sogar die Elfie zu.
»Weißt du, Kochen war noch nie so mein Ding.«
Aber ein Testament haben sie nicht gefunden. Und auch sonst nichts, was ihnen weiterhelfen könnte. Nicht einmal die Schlüssel für den Sekretär, der an der Wand steht und dessen poliertes helles Zirbelkiefernholz von einem Aderwerk feiner Risse durchzogen ist.
»Wenn wir es gefunden haben«, sagt Elfie plötzlich, »werden wir uns wundern.«
»Worüber?«
»Dass wir so lange gebraucht haben. Ganz bestimmt hat mein Onkel sich wieder ein Spassettche ausgedacht …«
»Ein Spassettche?«
»Ja, so hat er es genannt. Einmal hat er mir eine Geschichte vorgelesen, da ging es um einen Politiker, der hat ein wichtiges Dokument gestohlen gehabt. Aber man fand nicht heraus, wo er es danach versteckt hat, nur ein ganz schlauer Detektiv, der hat es dann gefunden. Und weißt du wo?«
»Erzähl es mir.«
»Der Politiker hat es nämlich gar nicht versteckt. Nicht richtig. Er hat es einfach auf seinem Schreibtisch liegen lassen, unter der Zahnarztrechnung.«
»Warum unter der Zahnarztrechnung?«
»Ach!« Elfie winkt ab. »Vielleicht war es auch bloß die Zeitung … Im Geschichtenzuhören bist du nicht besonders gut.«
Zlatan blickt sich um. Dann stellt er den Becher auf dem Nachtkästchen ab und steht auf und geht mit den Augen – das wievielte Mal? – durch das Zimmer. Auf dem Fenstersims stehen zwei Gartenzwerge, sie haben beide rote Nasen, der eine schiebt eine Schubkarre mit Flaschen darin, der andere schwenkt eine Trikolore. Zlatan dreht die Figuren um, sie sind innen hohl, wie er vermutet hat, aber nirgendwo ist ein Schlüssel versteckt, auch nicht in der Schubkarre. Er geht zu der Wand, die mit altersdunklen Ölgemälden vollgehängt ist, sie zeigen Landschaften, dann wieder Portraits von Landleuten, manche sind ganz lustig, findet er, eines zeigt einen dicken Mann in einem Keller, der dicke Mann trägt eine Mönchskutte und hat abwehrend die Hand erhoben. Das ist der Kellermeister, denkt Zlatan, und der muss einen Schlüssel haben, ganz unbedingt muss er das.
Er nimmt das Bild ab und dreht es um.
Kein Schlüssel.
»Was tust du da eigentlich?«, fragt Elfie und äugt durch das Zimmer.
Zlatan antwortet nicht.
Sein Blick ist auf ein anderes Bild gefallen: Es zeigt Kinder, die um ein einzelnes herumspringen und lachen, dem einzelnen Kind sind die Augen verbunden, mit ausgestreckten Händen versucht es, ein anderes zu finden. Er nimmt das Bild vom Rahmen, dreht es um – wieder kein Schlüssel. Er lässt das Bild sinken, sein Blick fällt auf das Nachtkästchen, er hat dort den Kaffeebecher abgestellt.
Was
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