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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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niederdrückendere Beweise gegen ihn zu Tage gebracht hat. Karadzic versucht noch immer, sein Strafverfahren zu behindern und zu sabotieren. Mladic, der Verantwortliche für das Massaker von Srbrenica, ist von der serbischen Polizei am Ende doch noch gefunden worden. Und die kroatische Seite? Franjo Tudjman, der kroatische Präsident während des Bürgerkriegs, ist tot. Ante Gotovina, der Befehlshaber der Oluja-Offensive und 2005 auf den Kanaren festgenommen, wartet auf seinen Prozess. Während der Offensive sind zwischen siebenhundert und zwölfhundert serbische Zivilisten umgekommen, laut Amnesty International waren sie Opfer von Brandschatzungen, Misshandlungen, Racheakten oder außergesetzlichen Hinrichtungen geworden.
    Und sonst? Barbara Stein findet weitere Namen. Es sind die Namen von Mördern oder vielmehr: von mutmaßlichen Mördern, denn die wenigsten von ihnen sind bisher verurteilt. Aber es ist nicht das, was sie sucht. Diese Namen gehören zu Leuten, denen der Krieg das erlaubt, wofür sie zu anderen Zeiten sofort in den Knast wandern. Sie aber sucht einen Verantwortlichen, einen Befehlsgeber, freilich einen, der es verstanden haben muss, sich im Schatten zu halten. Nur so jemand könnte die stille unerschütterliche Bestimmtheit rechtfertigen, die sie an Fausser festgestellt hat (oder inzwischen glaubt, sie habe sie festgestellt).
    Sie lehnt sich zurück und reibt sich mit beiden Händen die Augen, dann beschließt sie, noch drei Versuche zu machen. Der erste Artikel, den sie aufruft, stützt sich auf ein Interview mit einem früheren serbischen Geheimdienstchef – das kann als Quelle nur interessant sein, wenn man untersuchen wollte, wer warum wie lügt. Als nächstes ruft sie den Artikel eines – vielleicht oder auch nur angeblich unabhängigen – Balkanforums auf:
    … weitere Ermittlungen waren anhängig gegen General Jovan Mesic, zu dessen Kommandobereich auch das berüchtigte Internierungslager Dretelj in der Nähe des Wallfahrtsortes Medjugorje gehört hat. Mesic übernahm später im kroatischen Verteidigungsministerium die Leitung der wichtigen Beschaffungsabteilung. Als bekannt wurde, dass vor dem Internationalen Gerichtshof für Jugoslawien Anklage gegen ihn erhoben werden soll, schied er – inzwischen im Rang eines Staatssekretärs – aus dem Ministerium aus und verließ Kroatien. Berichte, er halte sich in einem argentinischen Franziskanerkloster auf, sind vom Vatikan zurückgewiesen worden …
    Unversehens ist Barbara Stein hellwach. Ein Detail aus einem der Artikel, den sie zuvor – widerwillig – gelesen hatte, kommt ihr wieder in den Sinn. Sie ruft den Beitrag auf, es ist ein Artikel über die Operation Oluja, und darin ist die Kampfstärke beider Parteien zu Beginn der Offensive angegeben – 180 000 kroatische Soldaten gegen 40 000 serbische, 480 Panzer und Schützenpanzer gegen 200, 24 MiG-21 Jagdbomber gegen zwölf jugoslawische Eigenbau-Jäger, 38 Mi 8 Transporthubschrauber und zwölf Mi 24D Kampfhubschrauber gegen offenbar gar keine …
    Kampfhubschrauber, noch ein Thema aus Faussers Mottenkiste. Was sind das für Maschinen? Solche vermutlich, mit denen man Jagd auf Menschen machen kann.
    Was ist sonst besonderes daran? Zu Kriegsbeginn war die jugoslawische Nationalarmee mit all ihrem Kriegsgerät unter serbische Kontrolle geraten, während die Kroaten zunächst nur über die Einheiten der Territorialverteidigung verfügten. Folglich besaßen sie um 1990 weder Panzer noch Fluggerät noch sonst schwere Waffen.
    Wie kamen die Kroaten dann doch dazu? Jemand musste ihnen die Panzer, Jagdbomber und Hubschrauber geliefert und das kroatische Militär in deren Gebrauch unterwiesen haben. Das wird nicht ganz einfach gewesen sein, denn die Vereinten Nationen hatten ein Waffenembargo über die gesamte Region verhängt.
    Wer hat dieses Gerät hergestellt? MiG-21 Jagdbomber heißen so, weil sie von dem russischen Flugzeugunternehmen Mikojan & Gurewitsch geplant und gebaut werden; die Namensgeber waren beide russische Konstrukteure. Mi 24D Kampfhubschrauber sind von dem ebenfalls russischen Unternehmen Mil entwickelt worden, benannt nach dem Konstrukteur Michael Leontjewitsch Mil.
    Haben also die Russen die kroatische Armee aufgerüstet und kampffähig gemacht? Kaum. Russland hat während des ganzen Konflikts Serbien unterstützt.
    Welches Land also hat zu Beginn der neunziger Jahre über genügend Panzer, Jagdbomber und Hubschrauber russischer Bauart verfügt, um gerne davon abzugeben?

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