Schlangenkopf
bräuchte …« Er wirft einen Blick in das Nebenzimmer und hebt die Augenbrauen, dann wendet er sich wieder dem Verwalter zu. »Wie ich sehe, sind Sie Romantiker. Das gefällt mir. Andere mögen anderer Ansicht sein … Nun sind ja noch alle Dinge so halbwegs im Lot und keines dort, wo es nicht hingehört …« Er sieht sich nach einer Sitzgelegenheit um, aber weil Kroppenschmitt ihm nichts anbietet und auch sonst nichts tut oder sagt, sondern einfach nur dasteht und den Neuankömmling anstarrt, bleibt also auch der Bilch stehen und öffnet sein Aktenköfferchen und holt mehrere Schriftstücke heraus.
»Da haben wir ja alles«, sagt er dann, nachdem er den Aktenkoffer zwischen seinen Füßen abgestellt hat, und blättert die Schriftstücke durch. »Wenn Sie bitte unterschreiben wollen?«
»Ich verstehe nicht«, sagt Kroppenschmitt, »ich habe Ihnen nichts zu unterschreiben, was sind das überhaupt …«
»Das eine ist die Bescheinigung über den Erhalt der ausstehenden Miete«, erklärt der Bilch und hält ihm das erste Blatt hin.
»Was reden Sie da – die Miete ist doch noch gar nicht bezahlt!« Wie eine lästige Fliege will Kroppenschmitt das Blatt Papier abwehren, das ihm der Bilch unverdrossen entgegenstreckt.
»Oh doch! Sie ist!«, erwidert der Bilch. »Sie haben gestern von meinem Mündel Geld erhalten und es nicht quittiert. Ihr Pech, wenn jetzt zehn Cent fehlen. Und wenn Sie schon beim Unterschreiben sind, werden Sie bitte so freundlich sein und auch dieses Protokoll abzeichnen …« – der Bilch hält Kroppenschmitt ein zweites Papier hin – »das ist sicher nicht zu viel verlangt. Es ist nur eine Beschreibung, wie der Besuch meines Mündels gestern bei Ihnen abgelaufen ist und zu welchen – nun ja, wie soll ich sagen – … und zu welchen Körperkontakten es dabei gekommen ist.« Der Bilch lächelt ermutigend. »Sie werden sehen – es lässt sich alles regeln, auch ohne dass man das Kinderschutzdezernat der Polizei einschalten muss … Allerdings werden wir dann noch um eine Bearbeitungsgebühr bitten müssen, 600 Euro, das ist der Tarif in solchen Fällen …«
S ind es Gershwin-Melodien, die die Pianistin spielt? Sie sitzt kerzengerade auf dem Hocker, das bringt die schlanke Taille und den hübschen Hintern und den schönen Nacken zur Geltung. Noch singt sie nicht, Berndorf ist dafür dankbar, denn so, wie es jetzt ist, ist es gerade richtig, mehr wäre zu viel. Barbara und er hatten sich übers Mobiltelefon hier, in der Bar des Brandenburg Residence verabredet, er hatte vor dem Hotel auf sie gewartet, und nun sitzen sie an der Theke, Barbara Stein vor einem Slibowitz, den sie sich zu Berndorfs Verwunderung geordert hat, und dieser wieder vor einem Espresso mit einem Kognak, zu dessen Bestellung es nur einen fragenden Blick von Miguel und ein kurzes Nicken gebraucht hat.
In der Bar ist es nach dem ersten Ansturm der Entspannungstrinker, die meist gegen 18 Uhr aus ihren Büros freigelassen werden, wieder etwas stiller geworden. Einige der 18-Uhr-Gäste freilich sind hängen geblieben, andere sind noch in Gespräche vertieft, von denen Berndorf lieber nicht wissen will, welche Geschäfte darin verhandelt werden.
»Wirklich«, sagt Barbara, der Berndorfs Blick auf die Pianistin nicht entgangen war, »ein hübscher Hintern, nicht wahr?«
»Gewiss doch«, antwortet Berndorf. »Aber nichts für alte Männer. Ich weiß nicht mal, ob für Männer überhaupt.«
»Ach ja? Und wieso meinst du das?«
»So, wie sie spielt. Mit einem je ne sais pas quoi im Anschlag. Wie sie sich hält. Wer Klavier spielt, hat Glück bei den Frauen. So eine ist das.«
»Nun kennst du dich also nicht nur bei Frauen, sondern auch im Klavierspielen aus. Da schau her.« Barbara nimmt einen Schluck und verzieht kurz das Gesicht, denn der Slibowitz ist doch etwas feuriger, als sie erwartet hat.
»In Wahrheit kenn ich mich gar nirgends aus und bin nichts als ein alter dummer Mann. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie viele Stunden ich in eurer Institutsbibliothek verbracht habe, und erst, als ich wieder draußen war, ist mir eingefallen, wonach ich hätte suchen sollen.«
»Und das wäre?«
»Nach einem General. Einem General, der für dieses verdammte Lager verantwortlich war und dessen Name mir dieser Fotograf nicht sagen wollte oder konnte.«
»Du meinst Jovan Mesic«, stellt Barbara Stein fest. »Tüchtiger Mann. Und fromm.«
Berndorf sagt erst mal gar nichts, dann kippt er seinen Kognak und bittet Miguel um einen
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