Schlangenkopf
zweiten. »Und fromm!«, wiederholt er. »Tut er Buße?«
So genau wisse sie das nun auch wieder nicht, meint Barbara. »Was man so im Kloster tut. Ich glaube, das kommt auf die jeweilige Kongregation an.«
Miguel bringt den Kognak, Berndorf dankt und fragt beiläufig, ob Miguel wohl etwas von seinem Kollegen Zlatan gehört habe. Nein? »Das habe ich mir fast gedacht. Ich denke, er wird in Frankfurt sein.«
Das sei gut möglich, erwidert Miguel zögernd. »Er hat, glaube ich, einen Cousin oder Onkel dort, in Sachsenhausen … der Onkel betreibt ein Restaurant mit original bosnischer Küche, die soll ganz ausgezeichnet sein, aber nur, wenn sie wirklich original ist.«
Berndorf hat so etwas auch schon gehört, und Barbara meint, dass sie persönlich die balkanische Küche selbst über die italienische stelle. Miguel wiederum meint, dass die Dame dabei die katalanische Küche nicht vergessen solle, aber dann muss Berndorf doch etwas ganz anderes fragen, weil er sich nämlich ein bisschen Sorgen macht, Sorgen um den gemeinsamen Freund. »Ich nehme an, er hat einen Bus nach Frankfurt genommen, weil das die billigste Lösung ist, aber ein Ticket kostet für die einfache Fahrt auch schon zweiundvierzig Euro …«
»Ich denke …«, sagt Miguel zögernd, »ich denke, dass das kein Problem war. Nein ganz sicher müssen Sie sich da keine Sorgen machen.« Er blickt Berndorf an. »Ich glaube, dass ihm ein Kumpel etwas gegeben haben wird. Genug für das Ticket. Sonst wäre der ja kein richtiger Kumpel, nicht wahr?«
Das finden auch Berndorf und Barbara, und weil sich gerade die Tür öffnet und ein Schwall von Russen hereinschwemmt, kippt Berndorf seinen zweiten Kognak und bezahlt unter Hinzufügung eines stärker dotierten Trinkgeldes.
Wenn einer ein richtiger Kumpel ist, dann muss man dem auch zeigen, dass man das in Ordnung findet.
»Du hast diesen General gefunden«, sagt Berndorf, als er und Barbara Arm in Arm zur U-Bahn gehen. »Was tät ich ohne dich?« Er bleibt stehen, und so muss auch Barbara stehen bleiben, sie schauen sich an, fast wären sie von anderen Passanten gerempelt worden. Die Lichter der Stadt verdunkeln den Abendhimmel, Autos blinken rot, gelb schimmern die Dachleuchten der Taxis, Hupen tröten, große rollende Aquarien mit Menschenfischen darin schieben sich am Trottoir vorbei, eine Halbwüchsige hält sich an ihrer Taschenquatsche fest, ein Pudel muss scheißen und macht einen krummen Buckel dabei.
Barbara und Berndorf schauen sich noch immer an.
»Darf ich dich zum Essen einladen?«
»Einverstanden«, sagt sie.
D er Schlüssel vom Nachtkästchen hat gepasst, und nun ist Schublade um Schublade aufgezogen und ausgeräumt. Auf dem Boden stapeln sich Ordner mit Geschäftskorrespondenzen, mit Zeitungsausschnitten, daneben liegen Pappschachteln voll merkwürdiger Orden und voll Fotografien.
Nirgends ein Letzter Wille. Dafür kann Zlatan, auf dem Boden hockend, jetzt einen Bildband durchblättern. Andere sind neben ihm gestapelt.
»Was ist denn das?«
»Ein Fotoband«, antwortet Zlatan ausweichend. »Es sind sogar mehrere Bände. Offenbar sind sie alle französisch.«
»Wieso französisch? Wenn es Bilder sind, dann sind die doch nicht deutsch oder russisch oder französisch.«
»Die schon. Weil draufsteht: Réservé aux adultes «, erklärt Zlatan und blättert den nächsten Band durch. Aber nirgends flattert ein verborgenes Dokument heraus.
»Versteh ich nicht … Ach so. Du meinst Schweinkram.« Elfie verzieht das Gesicht. »Warum sagst du das nicht gleich! Der Onkel war … ach egal. Was machen wir jetzt?«
Zlatan steht etwas mühsam auf, vom Hocken auf dem Boden sind die Kniegelenke steif geworden. »Bist du ganz sicher, dass er ein Testament gemacht hat? Vielleicht hat der Onkel gedacht, es ist ein Spassettche, wenn wir suchen und suchen, und es gibt gar nichts?«
»Ganz bestimmt hat er das gemacht«, antwortet Elfie. »Ein Testament, meine ich. Er hat es mir gesagt. Das sei ein Testament geworden, hat er gesagt, das kann ich mir hinter den Spiegel stecken. Weißt du, ich hab ihn schon auch besucht und mich gekümmert, immer wieder, nicht dass du sonst was denkst …«
Zlatan steht vor dem Sekretär und betrachtet ihn. Die Schreibplatte ist aufgeklappt, dahinter sind links und rechts kleine Fächer angeordnet. Zwischen diesen kleinen Fächern – die sie längst durchgesehen haben – befindet sich ein leeres hohes Fach, ausreichend, um eine kleine Bar darin unterzubringen. Aber es lag
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