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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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es ist eine Binsenwahrheit, dass wir einzig aus unseren Fehlern lernen, und in mir hatte sich seither ein bleibendes Misstrauen gegen Männer in Uniform festgesetzt.
    »Seit der Lawrence-Untersuchung haben die Dinge sich geändert«, sagte ich gelassen. »Ich denke, Sie werden feststellen, dass der Mord an einer Schwarzen ganz oben auf der Tagesordnung der Kronanwaltschaft rangiert, ganz gleich, wie lange er zurückliegt – besonders dann, wenn Beweise dafür geliefert werden können, dass der Beamte, der die Ermittlungen leitete, ein Rassist war.«
    Er drückte und knetete die rechte Faust mit der linken Hand, dass die Gelenke krachten. »Sie reden wohl von der Beschwerde einer Polizistin wegen sexueller Belästigung und Diskriminierung auf Grund ihrer Hautfarbe, die damals abgeschmettert wurde?« Er lachte höhnisch. »Das hält doch nicht stand. Und ebenso wenig Andy Quentins Dienstbuch. Der Mann ist tot, Herrgott noch mal – und er hatte was gegen mich, er gab mir nämlich die Schuld daran, dass er beruflich nicht vorwärts kam.«
    »Mit Recht«, sagte ich. »Sie haben nie auch nur ein gutes Wort über ihn gesagt.«
    »Er war ein falscher Hund.«
    »Hm, er hatte für Sie auch nicht viel übrig.« Ich öffnete den Umschlag und entnahm ihm Andys Aufzeichnungen über Drurys Anhalte- und Durchsuchungspraktiken bei Schwarzen aus der Karibik und bei Asiaten in der Zeit zwischen 1987 und 1989, die unter anderem Details der verächtlichen Sprache enthielten, die Drury diesen Leuten gegenüber gebraucht hatte. »Was spielt es bei diesen Aufzeichnungen für eine Rolle, ob er was gegen Sie hatte oder nicht?«, fragte ich ihn. »Es ist eine simple Aufstellung, die Sie jederzeit anfechten können, wenn sie Fehler enthält.«
    »Die Namen der Weißen, die ich angehalten und durchsucht habe, hat er nicht aufgeschrieben.«
    »Aber er hat Zahlen zum Vergleich angegeben. Bei Ihnen war das Verhältnis von Schwarz zu Weiß damals weit höher als bei jedem anderen in Richmond.« Ich zuckte die Achseln. »Aber das ist ja alles schwarz auf weiß vorhanden, es lässt sich also leicht beweisen. Wenn Andy Quentins Zahlen falsch sind, sind Sie entlastet. Wenn nicht, wird seine Vermutung, dass Sie Ihre Anhalte- und Durchsuchungsbefugnisse zu rassistischen Spielchen missbraucht haben, erheblich an Bedeutung gewinnen.«
    »Unsinn!«, schnauzte er mich an. »Ich hab meine Arbeit gemacht wie alle anderen. Zahlen kann man nach Belieben verdrehen. Genauso leicht kann ich Ihnen beweisen, dass er diese Aufstellung nur aus Rachsucht gemacht hat. Es war bekannt, dass wir nicht die besten Freunde waren.«
    »Was ist mit dem siebzehnjährigen Asiaten, dem Sie das Wangenbein zertrümmert haben?«
    »Das war ein Unfall!«
    »Die Polizei hat Schmerzensgeld in unbekannter Höhe bezahlt.«
    »Die übliche Praxis.«
    »So üblich«, murmelte ich sarkastisch, »dass man Sie für die Dauer der internen Untersuchung in Krankenurlaub und danach unverzüglich in Pension geschickt hat.« Ich öffnete die Vordertasche meines Rucksacks und entnahm ihr ein gefaltetes Blatt Papier. »Das hier hab ich nicht in den Umschlag gesteckt. Es war das Letzte, was Andy mir geschickt hat – eine persönliche Beurteilung, die Ihr Vorgesetzter über Sie abgegeben hat. Unter anderem beschreibt er Sie als ‘einen gewalttätigen Menschen mit extremen rassistischen Ansichten, der bei der städtischen Polizei keinen Platz hat’.«
    Er packte das Papier und zerfetzte es wütend, mit hochrotem Gesicht, in winzige Fetzen. Er war das Gegenteil von Sam – ein nachtragender Mensch; ein Mensch, der Gesichtsverlust als Schwäche sah.
    Ich schob die heruntergefallenen Papierfetzen mit der Schuhspitze hin und her. »Machen Sie das immer so mit Beweismaterial, das Ihnen nicht in den Kram passt? Zerreißen es einfach?«
    »Dieser Wisch ist als Beweis überhaupt nicht zulässig. Bei meiner Pensionierung wurde meine Personalakte bereinigt, das war Teil der Abmachung damals. Man könnte Ihnen allein wegen Besitzes dieses Briefes ein Verfahren anhängen. Und Quentin ebenfalls, wenn er noch am Leben wäre.«
    »Na ja«, entgegnete ich, »vielleicht wäre es mir ja ein Strafverfahren wert, den Brief an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich kann gleich morgen tausend Kopien rausschicken und Sie so unmöglich machen, dass am Ende kein Mensch mehr daran zweifeln wird, warum Sie Annies Tod unbedingt als Unfall hinstellen wollten.«
    »Jeder wird merken, dass es Ihnen einzig und allein um einen

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