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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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während wir auf das bestellte Curry warteten, wie sehr meine Gleichgültigkeit ihm zusetzte; es war beinahe, als hätte ich seine Männlichkeit in Zweifel gezogen, indem ich mich weigerte, seinen Seitensprung ernst zu nehmen. Ich meinerseits fragte mich, wann er erkennen würde, dass es hier um Annie ging und nicht um Libby, und wie er dann reagieren würde. Wir setzten uns in eine Ecke, und er begann sogleich, auf mich einzureden, leise zunächst, um nicht belauscht zu werden, doch mit der Zeit, als ich mich weigerte, ihm die Last mit Worten der Teilnahme zu erleichtern, zunehmend lauter und schriller – sehr zu meiner Genugtuung.
    Er wollte auf keinen Fall, dass ich den falschen Eindruck bekäme... es sei nicht wahr, dass er versucht habe, so zu tun, als sei nichts geschehen... Vielmehr habe er eine Heidenangst gehabt, mich zu verlieren... Selbstverständlich hätte er alles zugegeben, wenn ich gefragt hätte, aber er habe es für vernünftiger gehalten, schlafende Hunde nicht zu wecken... Er wisse, dass ich ihm wahrscheinlich nicht glauben würde, aber er sei an dem Abend, an dem Libby ihn verführte, tatsächlich betrunken gewesen, und die ganze Geschichte sei zum Albtraum ausgeartet... Sie sei eine jener Frauen, die immer glaubten, bei den anderen sei alles besser... Er erinnere sich, wie entsetzt er gewesen sei, als er gemerkt hatte, wie neidisch sie auf mich gewesen war und wie wild entschlossen, mich auf ihr Niveau herabzuziehen...
    »Als ich ihr eröffnete, dass ich Schluss machen wolle, drohte sie mir damit, dir alles zu sagen«, erklärte er. »Ich weiß, das ist keine Entschuldigung, aber ich glaube wirklich, ich hätte sie umgebracht, wenn sie das getan hätte. Sie war mir zu der Zeit schon so verhasst, dass ich es kaum ausgehalten habe, in einem Raum mit ihr zu sein.
    Ich glaubte ihm, nicht nur weil ich es wollte, sondern weil er seit jener Zeit nie mehr Libbys Namen genannt hatte, ohne ihm die Worte folgen zu lassen, »dieses Miststück, mit dem Jock verheiratet ist«. Eine Zeit lang fragte ich mich, ob er es aus gekränkter Eitelkeit sagte, weil auch er zurückgewiesen worden war; aber ich erkannte bald, dass die Abneigung echt war und Libby ihm so wenig bedeutete wie die Frauen, mit denen er vor unserer Ehe geschlafen hatte. Das heißt nicht, dass ich ihm nicht die Augen ausgekratzt hätte, wenn ich damals von der Affäre erfahren hätte – Objektivität braucht Zeit und Distanz zur Entwicklung –, aber die späte Entdeckung war höchstens Anlass zu stiller Trauer, nicht dazu, die ganze Geschichte wieder aufzuwärmen.
    »Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen«, sagte ich mit einem Blick auf einen anderen Gast, der sichtlich die Ohren spitzte. »Aber vielleicht möchtest du ja deine schmutzige Wäsche unbedingt in aller Öffentlichkeit waschen. Für mich persönlich ist Libby schon lange kein Thema mehr.« Ich zog eine Schulter hoch und ließ sie wieder herabfallen. »Ich habe mir immer gesagt, wenn du sie wirklich geliebt hättest, wärst du jetzt noch bei ihr.«
    Einen Moment lang schwieg er beleidigt, den Blick geistesabwesend auf den Lauscher gerichtet. »Warum hast du dann Jock davon erzählt? Warum musstest du alle in Aufregung stürzen, wenn es dir alles so unwichtig ist?«
    »Nicht alles, Sam. Nur Libby. Es ist mir wirklich scheißegal, was du mit ihr getrieben hast... aber es ist mir
nicht
scheißegal, was du Annie angetan hast. Du hast sie in der Gosse sterben lassen und hast sie dann als Säuferin abgestempelt, weil du Angst hattest, man könnte dich der unterlassenen Hilfeleistung beschuldigen. Das ist das Thema, um das es geht – und du tust wie immer alles, um ihm auszuweichen.« Ich machte eine kurze Pause. »Ich weiß, dass du sie da im Rinnstein gesehen hast – und nicht nur, weil Jock es mir heute Nachmittag bestätigt hat, sondern weil du immer so wütend wirst, wenn ihr Name erwähnt wird.«
    Er mied meinen Blick. »Ich dachte, sie wäre betrunken.«
    »Na, und wenn schon? Es war eiskalt und es goss in Strömen, und sie hat Hilfe gebraucht, ganz gleich, in was für einem Zustand sie war.«
    »Ich war nicht der Einzige, der sie gesehen hat«, murrte er. »Jock und diese Frau haben sie auch einfach liegen lassen.«
    Das war wahrhaftig keine Rechtfertigung, aber ich ließ es dabei bewenden. »Sie sind ihr gar nicht so nahe gekommen wie du«, entgegnete ich. »Ich habe sie beobachtet.«
    »Woher willst du wissen, wie nahe ich ihr kam?«
    »Jock hat mir erzählt, du hättest

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