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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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fragte ich. »Hat sie deshalb nach Urin gestunken?«
    Er starrte mich mit dummem Blick an.
    »Wann haben Sie es getan?«, fuhr ich fort. »Bevor sie das Bewusstsein verlor oder hinterher?«
    Hilfe suchend sah er seine Frau an.
    »Keiner von uns hat sie angerührt«, fuhr sie mich gereizt an. »Als wir das Zeug aus dem Haus geholt haben, war sie schon im Leichenhaus. Das hab ich Ihnen doch längst gesagt.«
    Es war ein Geständnis, unverblümt und ohne Reue. In der Stille, die folgte, hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Und ich erinnere mich, dass ich dachte, wie viel leichter dies alles wäre, wenn ich ihr nicht glaubte.

27
    Alan hob widerstrebend den Kopf. »Meine Mutter sagt die Wahrheit«, erklärte er mit hartnäckigem Nachdruck. »Okay, wir sind keine Heiligen – und ich behaupte auch gar nicht, dass wir nicht in Annies Haus rübergegangen sind, als wir hörten, dass sie tot ist –, aber wir sind keine Mörder.«
    »Warum stank ihr Mantel dann nach Urin, als ich sie fand?«, fragte ich.
    »Sie hat immer gestunken«, sagte Maureen scharf. »Und woher wollen Sie überhaupt wissen, dass es ihr Mantel war? Vielleicht hat sie in die Hose gemacht, als sie angefahren worden ist.«
    »Dazu war der Geruch viel zu stark. Sie hatte sich ganz klein zusammengerollt, um sich zu schützen. Ihre Kleider müssen getränkt gewesen sein, sonst hätte der Regen den Urin weggespült.« Ich wandte mich wieder Alan zu. »Ich glaube, es war ein Probelauf für das, was Sie mir zwei Monate später angetan haben – genauso wie das, was Sie mit mir gemacht haben, ein Probelauf war für«– ich hielt inne, da ich Rosie Spaldings Vater neben mir wusste –»für das, was dann zum Bruch zwischen Ihnen und Michael Percy führte.«
    Sein Blick flog unwillkürlich zu Geoffrey Spalding, ehe er den Kopf in seine geöffneten Hände sinken ließ, um sein Gesicht zu verbergen.
    »Das war nur Michaels Schuld!«, rief Maureen so prompt, dass mir ganz kalt wurde. Hatte sie etwa von Rosies Vergewaltigung gewusst und nichts getan? »Sie hat wochenlang geblutet...«, hatte Michael gesagt.
    »Er ist ohne jeden Grund total ausgerastet. Er war immer schon ein gemeingefährlicher Kerl – sonst würde er auch jetzt nicht sitzen.« Sie sandte einen boshaften Blick zu Sharon hinüber. »Wenn Sie einen Mörder suchen, dann sollten Sie sich mal auf Michael konzentrieren – oder, noch besser, auf den Hausfreund seiner Mutter. Fragen Sie den doch mal, wer zuletzt mit Annie gesprochen hat! Da kriegen Sie die Antworten, die Sie suchen.«
    Hochrot im Gesicht sprang Geoffrey von seinem Stuhl auf, aber Wendy legte ihm die Hand auf den Arm und zog ihn zurück. »Lassen Sie sich nicht Maureens Willen aufzwingen, Geoffrey. Sehen Sie nicht, dass sie versucht, einen Streit anzuzetteln, indem sie Sie reizt? Es ist wirklich höchst interessant. Sie möchte unbedingt vermeiden, dass Derek und Alan Mrs. Ranelaghs Fragen beantworten. Ich möchte wirklich gern wissen, warum.«
    Maureens gehässiger Blick schweifte zu ihr. »Was geht Sie das an?«
    »Sehr viel. Schließlich war ich eines Ihrer Opfer. Sie reden mit einer Unbekümmertheit von den Diebereien, die Sie begangen haben, Maureen, als wäre das etwas, worauf man stolz sein kann. Aber Ihre Kinder haben mir sehr wehgetan, als sie die Brosche meiner Mutter stahlen. Sie war unersetzlich – das Einzige, was ich von ihr hatte –, aber sie besaß natürlich überhaupt keinen Geldwert, wie Sie sicherlich festgestellt haben, als Sie sie verkaufen wollten.«
    »Das waren wir nicht. Die Brosche hat Michael geklaut.«
    Wendy schüttelte den Kopf. »Nein«, entgegnete sie mit Entschiedenheit. »Ich weiß genau, wann sie verschwunden ist. Sie suchten wieder einmal Schutz bei uns und hielten mich im Gespräch in der Küche fest, während Ihre Kinder sich im Haus umsahen, ob es was zu stehlen gebe. Ich gab mir natürlich selbst die Schuld, genau wie Sie das erwartet hatten. Ich hätte sofort, als Sie kamen, sämtliche Türen abschließen müssen. Ich war ja nicht so blind, mir über Sie etwas vorzumachen.«
    Maureen lächelte höhnisch. »Ganz recht. Wie Dreck haben Sie uns behandelt.«
    »Keineswegs«, widersprach Wendy bestimmt. »Ich habe mich eigens bemüht, Ihnen und Ihrer Familie mit der gleichen Freundlichkeit zu begegnen wie allen anderen Leuten.«
    »Tja, vielleicht haben Sie da ein bisschen dick aufgetragen. Gemocht haben Sie uns jedenfalls nie, das steht fest.«
    Wendy nickte, ohne zu zögern.

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