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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Jock besaßen das geringste Talent, mit frustrierten Frauen umzugehen. Das hatten sie in der Vergangenheit bereits bewiesen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich in der Zwischenzeit viel geändert hatte.
    Sie kniff die Lippen zusammen. »Das hat mit Jock überhaupt nichts zu tun«, sagte sie kurz. »Jim ist der Ansicht, dass Amy zu jung ist, um auf ihre Schwestern aufzupassen. Aber das stimmt nicht. Sie ist fast vierzehn.«
    »Das ist nur natürlich«, bemerkte Wendy beiläufig, während sie mit langen dünnen Fingern nach einem Brötchen mit Tunfisch und Gurke griff. »Ein leeres Nest und hungrige Junge, da glaubt doch das Männchen sofort, dass seine Partnerin entflogen ist.« Sie sah Libby lächelnd an. »Ich vermute, er hat es schon früher des Öfteren leer vorgefunden, hm?«
    Wendy biss mit Genuss in ihr Sandwich und ließ Libbys wütende Blicke an sich abprallen, während wir anderen uns in Schweigen hüllten. Mich wunderte es überhaupt nicht, dass Libby immer noch auf Männerfang ging, aber für Sam und Jock war es ein Schock. In ihrer Naivität hatten sie wohl geglaubt, Libbys leidenschaftliche Natur hätte sich von Mutterschaft und Beruf zähmen lassen. Die beiden senkten die Köpfe und starrten stumm zu ihren Füßen hinunter, ihr ganzes Verhalten ein so typisches Beispiel für die anerkannte Praxis, Männer und Frauen mit zweierlei Maß zu messen, dass ich unwillkürlich lächeln musste.
    Natürlich sah Libby es. Ich war ja ihre einzige echte Feindin, deshalb galt ihre Aufmerksamkeit vor allem mir. Und augenblicklich ging sie auf mich los. »Na klar, du bildest dir ein, alles zu wissen«, zischte sie.
    »Nein«, widersprach ich gedämpft. »In dir habe ich mich total getäuscht. Ich hätte gedacht, dass du mehr Würde besitzt, als die Männer anderer Frauen anzumachen.«
    »Dass ich nicht lache! Wenn hier jemand jemanden angemacht hat, dann war es Sam. Er konnte die Hose ja gar nicht schnell genug runterkriegen, als sich die Gelegenheit bot. Oder ist das vergeben und vergessen, weil er brav zwanzig Jahre unter deinen vorwurfsvollen Blicken und deiner gekränkten Eitelkeit abgesessen hat?«
    Sam trat zornig vor, aber ich bremste ihn mit einem Kopfschütteln. Dies war meine Sache, und ich hatte lange auf den Moment gewartet. »Wenn du hier eine Schlammschlacht willst, Libby, komme ich dir gern entgegen – Sam und Jock sicher auch, nehme ich mal an –, aber wenn du es so eilig hast, hier wegzukommen, wie du sagst, dann schlage ich vor, wir gehen diese Aussagen durch.«
    Sie wusste, dass sie nachgeben musste, und zwang sich zu einem Lächeln. »Gut. Was willst du wissen?«
    »Was ist wahr? Dass du ein Bad genommen hast und dabei warst, Wäsche zu waschen, als Sam kam? Oder dass du gekocht hattest und dann vor dem Fernseher gesessen hast?«
    Sie schüttelte den Kopf mit überzeugender Verwirrung. »Ich weiß es wirklich nicht mehr«, sagte sie langsam. »Das ist so lange her, dass ich die Details fast alle vergessen habe. Ich habe einfach aufgeschrieben, was ich normalerweise um diese Zeit getan habe – kochen und dann Nachrichten sehen –, aber wenn Sam sicher ist ...?« Sie sah ihn an. »Erinnerst du dich noch so genau?«
    »Ja.«
    Die Schroffheit, mit der er antwortete, brachte sie einen Moment aus der Fassung. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das möglich ist. Es war ja schließlich nicht das einzige Mal, dass du zu mir gekommen bist.«
    »Nein«, bestätigte er, »aber es war das
letzte
Mal – und ich hatte dir am Nachmittag am Telefon gesagt, dass es das letzte Mal sein würde. Ich hatte dir gesagt, dass ich vernünftig mit dir reden wollte, um die Affäre so zu beenden, dass nicht alle Betroffenen dabei kaputtgehen – und ich war fuchsteufelswild, als du dich, kaum dass ich zur Tür reinkam, mir an den Hals geschmissen und verkündet hast, du hättest mir zu Ehren ein Bad genommen und wärst gerade dabei, die Laken zu waschen, damit du das Bett frisch beziehen könntest, bevor Jock nach Hause käme. Das kannst du doch nicht vergessen haben, Libby. Du hast mir doch noch erklärt, ich machte dir Angst, als ich sagte, ich würde grob werden, wenn du mich nicht augenblicklich losließest.«
    Sie lachte kurz. »Na schön – wenn du es so darstellen willst –, mir soll's recht sein. Wieso ist es überhaupt so wichtig, was ich getan habe?« Sie richtete ihren Blick wieder auf mich. »Wir nehmen Sams Version. Bist du jetzt zufrieden?«
    Ich nickte.
    »Dann bist du schön

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