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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Abend war, Hauptsache, er und Jock konnten sagen, dass sie Annie um Viertel vor acht nicht gesehen hatten. Die einzigen Lügen, die
ich
dir erzählt habe, hatten mit diesem verflixten Alibi zu tun – ich wollte, ich wäre die ganze Zeit ehrlich gewesen, aber weißt du, sie erschienen mir so harmlos im Vergleich zu der Kränkung, die es für dich bedeutet hätte, von der Affäre zu erfahren. Natürlich war es nicht in Ordnung, aber ich fand, es wäre das kleinere Übel. Sam und Jock hatten offensichtlich nichts mit Annies Tod zu tun – wie ich dir ja immer wieder gesagt habe –, und ich wollte nicht, dass du schlecht von mir denkst. Kurz und gut, ich habe über den fraglichen Abend ein Protokoll mit genauen Zeitangaben geschrieben, das alle Einzelheiten über das Kommen und Gehen aus Haus Nr. 21 enthält, an die ich mich erinnere. Ich lege es bei. Ich denke, du wirst feststellen, dass die Angaben mit den Aussagen von Jock und Sam übereinstimmen. Ich werde selbstverständlich eine offizielle Aussage machen, wenn es so weit ist. Damit mache ich fürs Erste Schluss und schicke dir liebe Grüße, die du hoffentlich nicht zurückweist.
    Deine L.

    P.S. Abgesehen von allem anderen kann ich die Mädchen nicht einfach den ganzen Tag allein lassen, und mein armer alter Jim wäre tief beunruhigt, wenn ich ihm erzählte, dass ich vorhabe, meinen Ex-Mann wiederzusehen. Er würde wissen wollen, wozu – und dann müsste ich ihm von Sam erzählen und wie ich meine beste Freundin hintergangen habe. Es tut mir Leid, mein Schatz. Ich hoffe, du hast Verständnis.

    * * *
    Von: M. R. ([email protected])
    Datum: 18. August 1999, 12.42
    An: Libby Garth
    Betrifft: Freitag

    Meine liebe Libby! Anlage erhalten und verstanden, liebe Grüße angenommen so, wie sie gemeint waren. Du kannst mir glauben, ich war immer dankbar für deine Hilfe in Sachen Annie – ich hätte nicht die Hälfte von dem erfahren, was ich über ihre Nachbarn weiß, wenn du nicht gewesen wärst. Unglücklicherweise gibt es ein, zwei Diskrepanzen zwischen deiner und Sams Aussage – d. h., er sagt, du hättest gerade die Wäsche gemacht, als er kam, während du erklärst, du hättest vor dem Fernseher gesessen. Er sagt ferner, du hättest ein Bad genommen, unmittelbar bevor er kam, und du behauptest, du wärst in der Küche gewesen und hättest gekocht. Ich weiß, das sind Kleinigkeiten – aber ich brauche Aussagen, die wirklich übereinstimmen, bevor ich zur Polizei gehe. Du weißt, dass ich nicht insistieren würde, wenn es nicht wichtig wäre.
Und du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen!
Jock und Sam haben sich versöhnt – auch wenn eine gewisse Kühle geblieben ist –, und Sam und ich sind mittlerweile wie siamesische Zwillinge. Wir sind schon so lange zusammen, dass wir an der Hüfte miteinander verwachsen sind und nur noch im Gleichschritt marschieren können. Aber wenn du wegen der Mädchen und deiner Sorge um Jim wirklich nicht herkommen kannst, werden wir drei eben nach Leicester kommen.
    Alles Liebe,
    M.

28
    Ich hatte Jock gebeten, Wendy und mir die Haustür offen zu lassen, und wir gingen schnurstracks durch den Flur zur Küche. Ich sah Libby, bevor sie mich sah. Sie saß auf einem geradlehnigen Küchenstuhl, das Gesicht im Profil, und ich hatte ein, zwei Sekunden Zeit, sie unbemerkt zu mustern, ehe der Klang unserer Schritte sie auf unser Kommen aufmerksam machte. O ja, Rache ist süß! Nichts war geblieben von der aufregenden Brünetten von damals, die ihr apartes Gesicht und ihre gute Figur so gekonnt zur Schau getragen hatte. Die Frau auf dem Küchenstuhl war eine sehnige, spitznasige Person mit schlaffem Kinn und frisch gefärbtem Haar, das im Ton zu dunkel war für ihren Teint.
    Am lebhaftesten erinnerte ich mich ihrer ungeduldigen Gesten und ihres ewig gereizten Gesichtsausdrucks, die damals, im Jahr 1978, so deutlich ihre Unzufriedenheit mit ihrem Leben verraten hatten, und ich sah mit Erheiterung, dass beides ihr geblieben war.
    »Mir reicht's«, sagte sie gerade, als Wendy und ich uns näherten, und tippte ärgerlich auf ihre Armbanduhr. »Sie hat halb eins gesagt. Wenn sie nicht in den nächsten fünf Minuten erscheint –«
    Sie brach ab, als Sam und Jock die Köpfe hoben und mit unmissverständlicher Erleichterung zur Tür blickten.
    »Hallo, Libby«, sagte ich mit einem strahlenden Lächeln. »Du siehst gut aus.«
    Auch sie unterzog mich einer kurzen Musterung, aber sie erwiderte mein Lächeln nicht. »Du bist spät dran«,

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