Schlangenlinien
Davies,
ich habe Ihren Namen und Ihre Adresse aus einem Flugblatt, das in meinem Briefkasten war. Sie schlagen vor, man soll Ihnen schreiben, wenn man Probleme hat. Ich wollte Sie bitten, etwas für Morin zu tun. Sie weint oft, weil ihr Mann sie schlägt. Ich habe versucht, ihn davon abzuhalten, aber er ist ein böser Mensch, der gern Kinder und Tiere quält.
Ich mache mir große Sorgen.
Hochachtungsvoll
Ann Butts (Miss)
* * *
Durchschlag des Antwortschreibens von Gemeinderat J. M. Davies
Pendlebury
Duke's Avenue
Richmond
Surrey
01-940-0000
20. Juni 1978
Sehr geehrte Miss Butts,
besten Dank für Ihren Brief vom 12. Juni 1978. Ihre Mitteilung hat mich sehr bestürzt, aber ohne zusätzliche Informationen kann ich leider kaum etwas unternehmen. Sie haben mir weder Morins Nachnamen noch den Namen ihres Mannes angegeben, und auch ihre Anschrift fehlt mir. Sie werden gewiss verstehen, dass ich die Angelegenheit nicht ohne diese Angaben bei den zuständigen Behörden zur Sprache bringen kann.
Wenn Sie wünschen, dass ich der Sache nachgehe, dann schreiben Sie mir bitte noch einmal oder rufen Sie mich unter der oben angegebenen Nummer an. Wenn es Ihnen lieber ist, können Sie auch persönlich zu einer meiner Sprechstunden an der oben angegebenen Adresse kommen. Sie finden stets am ersten Samstag eines jeden Monats zwischen 9 und 12 Uhr statt. Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Mit freundlichen Grüßen
(Nachtrag: Keine Antwort, daher keine Maßnahmen. Möglich, dass ein merkwürdiger Telefonanruf am 3. Juli um 23 Uhr, bei dem immer wieder von ‘weißem Pack’ die Rede war, von Miss Butts kam, aber die Anruferin war sehr verwirrt. Der Brief war vermutlich böswillige Verleumdung. J.M.D.)
15
Ich starrte in meinen Kaffee. »Wie hat sie ihre Katzen daran gehindert, in Ihren Garten zu laufen, nachdem Derek die rote getötet hatte? Das war doch lange nachdem die Katzenklappe eingebaut worden war.«
»Sie hat ein Brett vor die Klappe geklemmt und die Katzen immer nur einzeln rausgelassen, wenn sie ihr Geschäft machen mussten. Das war ganz schön komisch! Sie hätten sie sehen sollen! Jedes Mal wenn sie eine von den Katzen rausgelassen hat, ist sie im Garten rauf und runter gerannt und hat wie eine Wilde mit den Armen gewedelt, damit die bloß nicht in die Nähe von unserem Zaun kam. Eigentlich hätte sie dünn wie ein Strich werden müssen bei so viel Bewegung, aber sie hat sich ja ständig den Bauch voll geschlagen. Wir haben's sogar durch die Wand gehört – schmatz, schmatz, schmatz: Da ist einem schon beim Zuhören schlecht geworden.«
Mein Gesicht verriet wohl mehr als von mir beabsichtigt, denn sie senkte hastig die Lider. Was für eine gehässige Person, dachte ich. Ihr Gift musste teuflisch gewirkt haben auf die ganze Familie.
»Sie haben doch gefragt«, murmelte sie. »Geben Sie jetzt nicht mir die Schuld, wenn Ihnen die Antwort nicht gefällt.«
Ich hatte Mühe, meinen Zorn zu zügeln. »Woher wissen Sie, dass sie ein Brett vor die Klappe legte?«
»Die Kinder sind nachts oft über den Zaun geklettert und haben die Klappe aufgestoßen, damit das Brett umgefallen ist.«
»Das hat sie doch sicher sehr erschreckt?«
»Klar! Sie hat jedes Mal geschrien wie am Spieß.«
»Warum hat sie das Brett nicht einfach an die Tür genagelt?«
»Weil sie nicht wollte, dass die vom Tierschutzverein merken, dass sie die Klappe nicht benutzt. Sie hat den Mann immer an der Tür warten lassen und ist hinten in der Küche rumgesaust und hat ein Versteck für das Brett gesucht.«
»Haben Sie und Sharon ihr deshalb immer wieder den Tierschutzverein auf den Hals gehetzt? Weil man sie erwischen sollte?«
Sie blies einen Rauchring in meine Richtung und durchstach ihn mit dem glühenden Ende ihrer Zigarette. »Kann schon sein.«
Ich stieß meine Tasse mit so heftiger Bewegung weg, dass der Kaffee über den Tisch schwappte. »Sie hatten sie in der Zwickmühle. Auf der einen Seite drohte ihr Derek, die Katzen umzubringen, wenn sie frei herumliefen; auf der anderen Seite hielten ihr die Leute vom Tierschutz vor, sie mache sich strafbar, wenn sie sie
nicht
frei herumlaufen lasse.«
Sie begann wieder, sich übers Haar zu streichen.
»Was sollte die arme Frau denn tun?«
»Verschwinden«, sagte Maureen Slater kurz. »Mitsamt ihren Katzen.«
»Nur weil sie schwarz war?«
»Warum nicht? Wir wollten keine Niggerschlampe als Nachbarin.« Sie machte hastig einen Rückzieher, als sie meinen Blick sah. »Glauben Sie mir, meine
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