Schlangenlinien
Idee war das nicht – ich hätt's anders versucht, wenn ich gekonnt hätte. Aber Derek wollte sie loswerden... er konnte Nig... Schwarze nicht ausstehen. Er hat sie richtiggehend gehasst. Außerdem hat sie ihre Chance gehabt. Die vom Sozialamt haben ihr klipp und klar gesagt, dass sie nur einen Ton zu sagen braucht, und man würde uns eine andere Wohnung zuweisen... aber sie hat gesagt, es wäre alles bestens.«
»Weil sie gar nicht anders konnte. Derek wusste, wo sie wohnte. Ihre Katzen wären niemals vor ihm sicher gewesen.«
»Genau, und am Ende hatte sie solche Manschetten vor ihm, dass wir ziemlich sicher waren, dass sie noch vor Weihnachten abziehen würde.« Sie schwieg einen Moment. »Und dann rennt die blöde Kuh in einen Lastwagen«, schloss sie verdrossen, »und die Bullen stellen fest, dass sie ihre Katzen selbst abgemurkst hat.«
Ich stützte mein Kinn in meine Hände und betrachtete Maureen Slater mit einem Blick kalter Neugier. »Sie waren schon halb tot, als man sie ihr durch die Klappe ins Haus schob«, sagte ich. »Irgendjemand fand es unheimlich lustig, Straßenkatzen einzufangen und ihnen die Mäuler mit Sekundenkleber und Paketband zu verkleistern, sodass sie entweder grausam verhungern mussten, oder Annie ihnen das Fell hätte vom Kopf reißen müssen, wenn sie sie hätte retten wollen. Ich glaube, sie hat die Schwächsten unter ihnen getötet, als die anderen sie angreifen wollten; aber sie hat es aus Mitleid getan, nicht aus Grausamkeit.« Ich sah sie mit einem gezwungenen Lächeln an. »Na, wer hat denn nun diese tolle Idee gehabt? Sie? Oder Ihr Mann?«
Sie bohrte heftig ihre Zigarette in den Aschenbecher und zerkrümelte sie unter nikotinfleckigen Fingern. »Damit haben wir nichts zu tun gehabt«, erklärte sie entschieden, ohne jedoch den Fakten zu widersprechen. »Solche Leute waren wir nicht.«
»Na, hören Sie mal«, widersprach ich sarkastisch. »Eben haben Sie mir erzählt, dass Derek die eine Katze erdrosselt hatte und die nächste an den Zaun nageln wollte. Und warum? Nur weil er ein Versager war und Frauen terrorisieren musste, um sich einbilden zu können, er wäre ein toller Hecht.«
Ihr gefiel die Wendung des Gesprächs nicht, und sie leckte sich nervös die Lippen. »Davon weiß ich nichts.«
»Dass er Frauen terrorisiert hat?«
Sie fasste sich rasch. »Ich weiß nur, was er mit mir und den Kindern angestellt hat. Und da war das meiste nur Gerede. Getan hat er ganz selten was.«
»Solange Annie noch lebte, vielleicht«, stimmte ich zu. »Aber nach ihrem Tod hat er alles nachgeholt. Als er wusste, dass keine Zeugen mehr da waren, hat er richtig losgeschlagen.«
Ich erinnerte mich, wie ich sie im Krankenhaus besucht hatte. Es war ein regnerischer Nachmittag Ende November gewesen. Das Wasser tropfte von meinem Mantel auf den PVC-Boden neben ihrem Bett, während ich mich bemühte, mein Entsetzen darüber zu verbergen, wie Derek seine Frau zugerichtet hatte. Sie war so klein und so grausam entstellt, und ihre Augen waren so voller Angst. Meine Hoffnung, von ihr Informationen zu erhalten, erfüllte sich nicht; sie war zu misstrauisch, um meine Fragen zu beantworten. Dafür hörte ich mir mit mühsam bewahrter Geduld ihre absurden Beteuerungen an. Einerseits behauptete sie, keineswegs habe sich Derek an ihr vergriffen; sie sei vielmehr allein im Haus gewesen und aus Unachtsamkeit die Treppe hinuntergestürzt, doch schon im nächsten Satz erklärte sie, dass sie höchstwahrscheinlich tot wäre, wenn Alan nicht da gewesen wäre und den Rettungsdienst angerufen hätte. Es war eine lachhafte Geschichte. Angesichts dieser Verletzungen – des gebrochenen Wangenknochens, der schrecklich verfärbten Augen –, die so stark an Annies totes Gesicht erinnerten, konnte niemand glauben, dass eine dieser Frauen Opfer eines Unfalls geworden war. Allzu spät bekam ich eine Ahnung von den Mauern angstvollen Schweigens, die gewalttätige Männer schützen.
»Was reden Sie da?«
»Zwei Wochen nach Annies Tod hat Derek Sie krankenhausreif geschlagen. Haben Sie sich nicht mal gefragt, wie das kam? Er hatte Sie nie zuvor so brutal geprügelt, dass Sie ins Koma fielen und darauf vertrauen mussten, dass Ihre Kinder den Rettungsdienst holen würden.« Ich wies mit einer Kopfbewegung zur Trennmauer zwischen den beiden Häusern. »Ihre Beschützerin war tot. Das Haus war leer. Derek hätte Ihnen ungestraft sämtliche Knochen brechen können, wenn ihm danach gewesen wäre. Er hätte Sie irgendwo auf
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