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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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beschwert.«
    »Sie hat Sie als ‘weißes Pack’ bezeichnet. Ist das keine Beschwerde?«
    Sie zündete sich eine frische Zigarette an und schüttelte den Kopf über meine Dummheit. »Ich mein, sie hat sich nicht bei der Gemeinde beschwert.«
    Ich konnte es kaum glauben. Ich hatte an alle möglichen Verschwörungstheorien als Erklärung dafür gedacht, dass die Slaters und die Percys Annie ungestraft hatten terrorisieren können; es war mir nie in den Sinn gekommen, dass es eine so einfache Erklärung geben könnte.
    »Soll das heißen, dass Annie trotz all der Beschwerden und Anzeigen, mit der Sie und Sharon ihr die Hölle heiß gemacht haben, nicht ein einziges Mal zurückgeschlagen hat?«
    Maureen nickte.
    »Warum nicht?«
    Keine Antwort. Wieder breitete sich Schweigen zwischen uns aus. Sie trug ihr Haar straff zurückgekämmt in einem Pferdeschwanz und strich sich immer wieder mit der Hand über den Scheitel, als wollte sie sich vergewissern, dass das Gummiband noch fest saß. Sie schien zu überlegen, ob es jetzt, nach zwanzig Jahren, etwas bringen würde, die Wahrheit zu sagen; aber ich vermute, in Wirklichkeit ging es ihr darum, herauszufinden, was ich wusste und was ich zu tun gedachte. Und das war wohl auch der einzige Grund, warum dieses Gespräch überhaupt stattfand.
    »Sie hatte viel zu viel Angst vor Derek«, bekannte sie nach einer Weile.
    »Um Anzeige zu erstatten?«
    »Ja.«
    »Was hat er denn getan, um sie so einzuschüchtern?«
    Wieder Schweigen. Länger diesmal. Schließlich zuckte sie verlegen die Achseln. »Er hat eine von ihren Katzen umgebracht und ihr gedroht, dass er die anderen auch noch abmurksen würde, wenn sie sich je über uns beschweren sollte. Verstehen Sie –« Sie wand sich vor Unbehagen; sie wusste genau, dass nichts das Verhalten ihres Mannes und ihre stillschweigende Duldung seiner Untaten entschuldigen konnte. »Wir hatten innerhalb von drei Jahren dreimal die Wohnung wechseln müssen, wir wollten nicht schon wieder umziehen. Und auf keinen Fall wollten wir wieder in ein Hochhaus.«
    »Nein«, sagte ich langsam. »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Und es war schließlich nur eine Katze.«
    »Hm.« Ich blickte den Korridor hinunter. »Kein schlechtes Geschäft, wenn man sich's mal überlegt – eine Katze für ein Haus.«
    »Da sehen Sie's.«
    »O nein!« Ich lachte kurz und höhnisch. »Unterstehen Sie sich, mich mit einem Sadisten in einen Topf zu werfen! Wäre Derek mein Mann gewesen, er wäre einer Katze nicht einmal nahe gekommen. Und ich hätte ihn mit der Axt niedergeschlagen, wenn er es gewagt hätte, die Hand gegen eines meiner Kinder zu erheben. Wieso sind Sie so feige? Warum haben Sie sich nicht gewehrt?«
    Ihr Blick wurde noch gehässiger. »Sie haben ja keine Ahnung, wie das war. Sie haben nicht jeden Tag um Ihr Leben fürchten müssen. Was glauben Sie wohl, was er mit mir und den Kindern gemacht hätte, wenn ich versucht hätte, mich zu wehren?«
    »Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen?«
    Sie schüttelte nur den Kopf, so verächtlich, als wäre es die Frage nicht wert, beantwortet zu werden, und wahrscheinlich traf das ja auch zu. Häusliche Gewalt wurde 1978 als Bagatelle betrachtet. Genau wie die Belästigung Schwarzer.
    »Wie hat er die Katze getötet?«, fragte ich, auf das zurückkommend, was mich interessierte.
    »Er hat sie erdrosselt«, antwortete sie gereizt. »Die Biester sind ja ständig zu uns in den Garten gekommen, und er hatte Annie schon gewarnt, dass er das auf Dauer nicht durchgehen lassen würde. Er hat die tote Katze bei ihr über den Zaun geworfen. Mit einem Zettel am Halsband, damit ihr klar war, was los war.«
    »Was stand auf dem Zettel?«
    »Das weiß ich nicht mehr genau. Ich glaub, er hat geschrieben, die nächste würde er an den Zaun nageln. Er hat's mir erst hinterher erzählt.« Sie beobachtete mich mit verschlagenem Blick unter gesenkten Lidern hervor, während sie sich den nächsten Schachzug zu ihrer Rechtfertigung ausdachte. »Ich mag Katzen. Ich hätt ihn das nicht tun lassen, wenn ich was gegen ihn hätte ausrichten können. Die Kinder waren ganz verrückt nach den Tieren, als wir hier eingezogen sind – und sie haben dann immer wieder gefragt, wo die rote Katze geblieben ist.«
    »Wann war das?«
    »Ungefähr zwei Monate, bevor Annie gestorben ist.«
    »Im September 1978?«
    »Wahrscheinlich.«
    Ich erinnerte mich an John Howletts Brief an Sheila Arnold.
Bei meinem ersten Besuch im März 1978 habe ich ihr zwei Dinge

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