SCHLANGENWALD
seit einigen Tagen keine E-Mails abgerufen. Vielleicht hatte Markus endlich auf ihre Kontaktversuche geantwortet?
Doch die Sonne schien so freundlich vom Himmel und in ihrem Licht glitzerte die gekräuselte Meeresoberfläche. Ein blaugrüner Leguan saß nur wenige Meter von Paula entfernt auf einem Ast und ignorierte sie. Ein derart perfekter Moment durfte nicht durch elektronische Datenpakete gestört werden. Egal wie wichtig, interessant oder romantisch ihre Botschaften waren.
2.
Der Empfang war für vier Uhr Nachmittag angesetzt. Damit blieb noch ausreichend Zeit, um die Anlage bei Tageslicht zu besichtigen. Nach einem Begrüßungscocktail für die rund dreißig Gäste auf der Terrasse des Castel Tico wurden die Gesellschaftsräume des Gebäudes besichtigt. Im kleinen Kinosaal lief ein Werbefilm über die Firma Qualistant Ltd. und das Projekt Tico World . Danach ging eine Rundfahrt mit Tretfahrzeugen los. Bis zu vier Personen fanden in diesen Gefährten mit bunt gestreiften Baldachinen Platz und traten in die Pedale. Paula saß neben Ricarda, hinter ihnen ein Ehepaar, das vor lauter Strampeln nicht mehr zu lachen aufhören konnte.
Der erste Zwischenstopp wurde bei den Bungalows eingelegt. Der Leiter des Architektenteams erklärte die Bauweise und wies mehrmals auf die Umweltfreundlichkeit der verwendeten Materialien hin. Als Nächstes hielten sie vor dem Metalltor.
„Ich bin sehr stolz, dass ich Ihnen diese innovative Abfallverwertungsanlage vorstellen darf.“ Kandin sprach in wenigen Sätzen über die Sicherheitsvorkehrungen und die Ausrüstung der Arbeiter. Dann führte er die Gruppe zu einem Förderband. Es folgte eine kurze Erklärung, wie lange welcher Abfall normalerweise benötigte, um zu verrotten, und wie die Maschine dazu beitrug, diesen Prozess zu beschleunigen. Staunend standen die Gäste vor den Behältern mit Humus, der von der Maschine produziert worden war.
Anschließend fuhren alle zum Wellnessbereich. Als der Wasserfall eingeschaltet wurde und über die Steinplatten plätscherte, ging ein begeistertes Raunen durch die Gruppe.
„Wie wunderschön“, entfuhr es Paula. Ricarda hatte nicht zu viel versprochen.
Als vorletzter Punkt stand eine Rundfahrt durch den Sport- und Freizeitpark auf dem Programm, der sich auf der anderen Seite der Anlage befand. Er verfügte neben zahlreichen Sporteinrichtungen über einen kleinen Zoo und ein Spielareal für Kinder. Im Vista Mar endete die Besichtigungstour.
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, die Tische waren zu einer großen Tafel zusammengeschoben worden und festlich gedeckt. Bunte Lichterketten, die von der Terrassenabdeckung herunterhingen, tauchten alles in ein romantisches Licht. Von fern hörte Paula die Wellen am Strand auflaufen.
Beim Abendessen saß sie zwischen Ricarda und einem Zeitungsherausgeber namens Juan Blanco. Dieser, so erzählte ihr Ricarda, sei in der Anfangsphase des Aufbaus einer der heftigsten Gegner der Anlage gewesen und habe in seinem Blatt derartig Druck auf die politischen Entscheidungsträger gemacht, dass es kurzfristig so aussah, als ob er das Projekt zum Scheitern bringen würde. Doch dann, von einem Tag auf den anderen, hatte Blanco seine negative Berichterstattung eingestellt und gehörte nun sogar zu den geladenen Journalisten.
Blanco wandte sich an Paula. Er war um die fünfzig, kleinwüchsig und hatte einen dicken Bauch. Alles war dunkel an ihm: die Haut, die schütteren Haare, die Augen, mit denen er meistens auf seine fleischigen Finger stierte.
„Sie werden die Öffentlichkeitsarbeit für diese Ferienanlage von Europa aus betreuen?“
„Ja, so ist es. Werde ich auch von Ihnen Informationsmaterial erhalten?“, fragte sie, so gut sie konnte, auf Spanisch.
„Von mir könnten Sie viel Material bekommen. Möglicherweise mehr als erwünscht ist …“ Er ließ den Satz in der Luft hängen. Paula sah ihn fragend an, doch sein Gesicht verriet keine Gefühlsregung.
„Ein sehr schönes Feriendomizil, finden Sie nicht auch?“ Paula fiel nichts Besseres ein, um mit ihm im Gespräch zubleiben. Der Mann wusste sicher einiges von Land und Leuten zu erzählen, das ihr bei der Arbeit nützlich sein konnte.
„Wenn Sie das meinen, dann wird es so sein.“
„Nun, die Maßnahmen zum Schutz der Natur finde ich sehr beeindruckend.“
Blanco sah sie belustigt an. „Wie lange werden Sie hier bleiben?“ Blanco goss sich Wein ein.
„Drei Wochen. Anschließend möchte ich mir das Land ansehen.“
„Tun
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