SCHLANGENWALD
langen schwarzen Haare trug er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Julio stellte sich Paula in fließendem Englisch vor und bestand darauf, ihr den Rucksack abzunehmen.
„Sind da Steine drinnen?“, lachte er, als er ihn ins Auto hievte.
Im Jeep fuhren sie bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel in die grüne Idylle. Auch heute war es wieder warm, aber nicht so drückend wie an den vergangenen Tagen. Mit jedem Meter, den Paula sich von der Anlage entfernte, fühlte sie sich besser. Sie war froh, einen Tag lang niemanden vonihrem Bewachungspersonal sehen zu müssen. Obwohl auch Julio einer von Kandins Handlangern war.
„Wir fahren jetzt auf der Hauptstraße Richtung El Coco weiter in den Norden, wo wir mit dem Playa del Coco unsere Strandtour eröffnen. Dann werden wir im wahrsten Sinn des Wortes über Stock und Stein die kleinen Straßen zwischen den einzelnen Badeorten abfahren. Wir können uns leider nirgends lange aufhalten, sonst sind wir nicht rechtzeitig zurück. Herr Kandin sagte mir, es sollte weniger ein Badetag als eine Informationsreise sein.“ Julio entschuldigte sich mit einem Schulterzucken.
Nach weiteren zwanzig Kilometern erreichten sie El Coco. Ein Ferienort mit Hotels und Restaurants, der ziemlich ausgestorben wirkte.
„Von Freitag bis Sonntag ist hier viel los. Ein voll besetzter Bus nach dem anderen bringt Kurzurlauber aus San José und Umgebung. Hotels und Lokale sind dann überfüllt und am Strand tummeln sich die Tagesausflügler.“
Paula blickte über das ruhige, flache Meer und den leeren Strand und war froh, dass Montag war.
Es war bald zwei Uhr und sie hatten noch immer nicht zu Mittag gegessen, was vielleicht ganz gut war, denn der Jeep holperte über die buckligen Wege und landete immer wieder in riesigen Löchern. Paula hielt sich mit beiden Händen fest, nachdem sie einmal so hoch vom Sitz geschleudert worden war, dass sie sich den Kopf angeschlagen hatte.
Bald darauf erreichten sie die Badebucht El Ocotal, wo es laut Julio die Möglichkeit zum Schnorcheln gab. Im soda Mar aßen sie Casado – Reis, schwarze Bohnen mit Sud und Huhn. Paula ließ sich Maisfladen einpacken und kaufte zwei Flaschen Mineralwasser für unterwegs im Lebensmittelladen nebenan. Als sie sah, dass das Telefon in Betrieb war, kramte sie den Zettel mit Blancos Telefonnummer hervor und bat um eine freie Leitung.
Sie wählte die Nummer. Eine Tonbandstimme erklärte auf Spanisch, dass es keinen Anschluss gäbe. Also probierte Paula es noch einmal, aber wieder ertönte derselbe Text. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Julio noch immer am Tisch saß, wählte sie ein weiteres Mal die Nummer, doch erneut ohne Erfolg. Verärgert kehrte sie an den Tisch zurück. Da hatte sie diese gute Gelegenheit und dann bekam sie keine Verbindung!
Bei Brasilito fuhren sie den weißen Postkartenstrand vor türkisblauem Meer entlang.
„Wenn wir Glück haben, erwischt uns heute kein Platzregen. Diese kleinen Rinnsale, über die wir gerade fahren, wachsen nämlich sehr schnell zu reißenden Flüssen an, und dann haben wir selbst mit dem Jeep Schwierigkeiten weiterzukommen.“
Als sie die vorletzte Station erreichten, dämmerte es bereits. Playa Grande war einer der berühmtesten Nistplätze der Lederschildkröten.
Ein Internetcafé hatte Paula in keinem der Orte entdeckt, die sie an diesem Tag besucht hatten.
„Warst du schon in Tamarindo?“, fragte Julio, als sie wieder im Auto saßen.
„Ja, vor Kurzem.“ Sollte er für Kandin herausfinden, ob sie dort gewesen war? Aber Julio war so damit beschäftigt, ihr von der Gegend zu erzählen, dass er nicht weiter darauf einging.
Um sie herum herrschte bald völlige Finsternis. Nur die Lichtkegel der Scheinwerfer beleuchteten die unmittelbar vor ihnen liegende Straße, die von Kröten und anderem Getier bevölkert war. Julio summte fröhlich Salsa-Rhythmen vor sich hin und konzentrierte sich auf die Löcher in der Straße. Er machte nicht den Eindruck, als ob er vorhätte, sie hier in der Wildnis auszusetzen.
2.
Als sie kurz nach acht im Camp ankamen, ging Paula ins Vista Mar , um Blanco anzurufen. Weder Kandin noch Ricarda waren zu sehen. Sie bestellte eine Limonade, ein gegrilltes Kotelett und eine große Schüssel Salat. Als sie nochmals ihr Glück bei Blanco versuchte, hörte sie wieder nur die Frauenstimme, die auf Spanisch erklärte, dass es keinen Anschluss unter dieser Nummer gab.
„Ist euer Telefon kaputt?“, rief sie Emilio nach, als
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