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SCHLANGENWALD

Titel: SCHLANGENWALD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Mayer-Zach
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Wahrscheinlich hätte sie ihr in diesem Gemütszustand gehörig die Meinung gesagt.
    Paula wartete noch eine Weile, dann ging sie zurück zum Büro, horchte und trat ein. Kandin saß an seinem Schreibtisch und hackte wie wild auf die Tastatur ein. Sonst war niemand im Raum.
    „Na, gut geruht?“, empfing er sie mit einem Blick auf die Armbanduhr. So sympathisch er Paula zu Beginn ihrer Bekanntschaft gewesen war, so zuwider war ihr der Mann mittlerweile. Paula ignorierte seine Frage und begann, die Unterlagen auf dem Schreibtisch zu sortieren.
    „Womit möchten Sie heute beginnen?“, fragte sie Kandin.
    „Im Moment muss ich noch etwas ausarbeiten. Aber ich werde bald fertig sein, dann möchte ich die Kontaktliste durchgehen und Ihnen Informationen zu den einzelnen Personen geben.“
    Kandin sprach, während seine Augen den Bildschirm fixierten und er mit der Maus hantierte. Er griff zum Handy, wählte eine Nummer, sagte „ hola “ und „ sí “ und legte auf. Paula nahm an, dass dieses Telefonat das Signal für Ricarda war, in Paulas Bungalow herumzuschnüffeln.
    „Dann rufe ich meine E-Mails ab. Vielleicht hat mein Chef wieder irgendwelche Informationen für uns.“ Paula bemühte sich um einen freundlichen Ton, doch in ihrem Inneren brodelte es.
    Kandin murmelte nur abwesend: „Ja, ist gut.“
    Paula hatte keine E-Mails erhalten. Um sich abzulenken, schrieb sie eine an Kurt und bat ihn, ihr noch weitere Unterlagen über die Firma Qualistant Ltd. zu schicken. Sie schilderte ihm die Erlebnisse, die ihr in den letzten Tagen widerfahren waren. Als sie die E-Mail geschrieben und losgeschickt hatte, waren Ärger und Enttäuschung zum Großteil verraucht. Geteiltes Leid war halbes Leid. Es störte sie nicht einmal, dass Kandin bald darauf mit seiner Arbeit fertig war und sie, abgesehen von einem kurzen Lunch, den sie sich ins Büro kommen ließen, bis zum Abend durcharbeiteten.
    Hin und wieder dachte Paula an den Bungalow und daran, dass Ricarda die Durchsuchung zwischenzeitlich wohl abgeschlossen hatte. Sie war froh, dass sie alle wichtigen Unterlagen in die Laptoptasche gepackt hatte, die sie nicht mehr aus den Augen lassen würde.

     
    2.
    Als Paula am Abend den Bungalow betrat, war alles so, wie sie es erwartet hatte: Der Boden war mit Fußspuren übersät, die bis auf die wenigen, die sie selbst verursacht hatte, von Männerschuhen stammten. Hätte sie das Gespräch zwischen Kandin und Ricarda nicht mitgehört, wäre diese Entdeckung für sie beunruhigend gewesen. Da sie den Übeltäter aber zu kennen glaubte, fühlte sie nichts anderes als Enttäuschung.
    Sie hatte Kandins Angebot, gemeinsam zu Abend zu essen, abgelehnt. Sie wollte sich Ricardas Lügengeschichten nicht anhören müssen. Stattdessen hatte sie von Emilio zwei gefüllte Tortillas geholt, die sie auf der Terrasse verspeiste. Kein Lüftchen regte sich an diesem Abend, Hitze und Feuchtigkeit hingen wie eine Glocke über der Landschaft und bildeten einen glänzenden Film auf Paulas Haut. Schwärme von Insekten tanzten im Licht der Terrassenbeleuchtung. Rund um den Bungalow zirpte und raschelte es. Was hätte Paula darum gegeben, in diesem Moment nicht allein hier sitzen zu müssen, sondern mit Clea oder Kurt über ihre Sorgen plaudern zu können.
    Es gefiel ihr nicht, wie sich der Aufenthalt entwickelte. Sie hatte nur ihre Arbeit verrichten wollen, und nun befand sie sich mitten in einer dubiosen Geschichte und wurde auf Schritt und Tritt überwacht. Paula musste eine Möglichkeit finden, um Blanco ein weiteres Mal aufzusuchen und ihn um Unterstützung zu bitten. Was er früher Negatives über die Anlage geschrieben hatte, war ihr zunächst wie die üblichen Presseartikel aufgebrachter Naturschutzgruppen vorgekommen, denen jede Medienaktion recht war, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und so ihrem Ziel näherzukommen.
    Seit heute sah sie das anders. Sie musste so rasch wie möglich noch einmal mit dem Journalisten Kontakt aufnehmen.
    Paula griff nach ihrem roten Adressbuch, um es in die Laptoptasche zu stecken. Doch es war nicht mehr da. Hektisch begann sie zu suchen, in den Schubladen, im Kasten, unter dem Bett, doch es blieb verschwunden. Aber das war noch nicht alles, was fehlte: Auch ihr Handy war verschwunden. Nicht, dass sie damit hier in Tico World etwas hätte anfangen können. In Santa Cruz hätte das Handy jedoch funktioniert, vor allem aber waren alle Daten darin gespeichert. In Zeiten von elfstelligen Telefonnummern, die man

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