Schlecht aufgelegt (German Edition)
einen Hauch von Trauer zu. «Er liefert sich seit Jahren regelmäßig selbst ans Messer», sagte sie leise. «Es ist nur noch keinem aufgefallen. Gilt unser Deal?»
Das ging Paul jetzt doch entschieden in die falsche Richtung. «Äh, wir wissen doch gar nicht, wovon Sie sprechen», beteuerte er und fand das mittlerweile selbst albern.
«Verstehe», sagte sie. «Unterschätzen Sie Henning nicht. Als Menschenfreund kommt man nicht dahin, wo er jetzt ist. Auch wenn man öffentlich einen darstellt. Haben wir uns verstanden?»
«Hm …», antwortete Paul, um sich nicht festzulegen, verstand aber nur allzu gut. Susanne Bürger wandte sich zur Tür. «Ich rufe Sie an», schloss sie. «Nach der Wahl.»
Sie hielt schon die Türklinke in der Hand, da entzündete sich in Paul ein Funken. Ein Funken detektivischen Ehrgeizes, eine Erinnerung an das, weswegen sie einst angetreten waren im Kampf gegen das Böse, gegen das Korrupte, das Vertuschende. Er kombinierte. Er kombinierte in einer Geschwindigkeit, dass seine Gehirnströme einen Hercule Poirot aus dem Fenster geweht hätten, ihm wurde selbst fast schwindelig, und plötzlich war alles ganz logisch, ganz einfach.
«Frau Bürger», sagte er.
«Was noch?», fragte sie abwehrend und drehte sich noch einmal um.
«Kann es sein», begann er, «nur mal gesetzt den Fall, dass wir wüssten, wovon Sie sprechen, dass Sie eine ganze Menge vom Tod des Opfers hätten?»
Susanne Bürger ließ die Türklinke los und kam mit eisiger Miene zurück, jeder Muskel angespannt, mit einer Entschlossenheit, als wollte sie gleich jemanden schlagen. Und da bot sich Paul als potenzielles Opfer natürlich an. Er unterdrückte den Impuls davonzulaufen. Wohin auch.
«Was meinen Sie damit?», fragte sie mit drohendem Unterton und stand nun so nah vor Paul, dass er hoffte, sein Atem wäre frisch.
Er schnaufte tief durch. Jetzt würde eine für seine Verhältnisse ausufernde Rede folgen, der detektivische Schlussmonolog. Kannte man ja. Aus dem Fernsehen. «Na ja, nur mal angenommen, Ihr Mann hätte eine Geliebte gehabt», fing er also an. «Sie sind sowieso eifersüchtig, weil er das schon lange macht, das mit den Frauen. Sie ahnen das, wissen es aber nicht sicher. Eines Tages folgen Sie ihm, bis zu einem bestimmten Haus. Sie sehen ihn auf eine Klingel drücken, Sie sehen, wie die Haustür aufgeht, er im Haus verschwindet und nach nur kurzer Zeit sichtlich aufgewühlt wieder herauskommt. Was ist denn da los, fragen Sie sich. Sie überlegen noch, was nun zu tun ist, da tauchen zwei Ihnen unbekannte Männer auf, drücken dieselbe Klingel, niemand öffnet, aber dank eines asiatischen Lieferanten, der gerade das Haus verlässt, gelangen Sie dennoch in das Haus, bleiben ebenfalls nur für kurze Zeit und kommen sichtlich aufgewühlt wieder heraus. Jetzt siegt die Neugier, jetzt fallen alle Hemmschwellen.» Paul fühlte sich plötzlich ganz sicher in seinem Vortrag und zog das Tempo an. «Sie klingeln bei Ihrem zukünftigen Opfer, sagen, wer Sie sind und warum Sie da sind, und finden eine junge, schöne Frau vor, die ganz offensichtlich verletzt ist. In jeder Hinsicht. Vielleicht provoziert Lisa Gerhard Sie, zeigt Ihnen ein bestimmtes Foto, das Ihren Mann beim Sex mit ihr zeigt, um Sie so richtig zu demütigen. Jedenfalls drehen Sie durch. Sie greifen nach einer Blumenvase und ziehen sie ihr über den Schädel. Sie begehen einen Mord, im Affekt. Gut, dass Sie Handschuhe getragen haben. Das gibt keine Spuren. Aber was jetzt? Sie wollen mehr. Sie wollen Rache an Ihrem Mann. Und Sie brauchen einen Täter. Sie sehen eine Visitenkarte auf dem Wohnzimmertisch und beschließen, das besagte Foto diesem Menschen in den Briefkasten zu werfen. Und dann einfach abzuwarten, was passiert. Dem Schicksal freien Lauf zu lassen. Vielleicht zieht der Besitzer der Visitenkarte ja die richtigen Schlüsse. Vielleicht befreit er Sie von Ihrem Mann. Vielleicht ist er ja Ihr persönlicher Racheengel. Wie klingt das für Sie?»
Susanne Bürger schien tatsächlich für einen Moment nachzudenken.
«Worum geht es Ihnen eigentlich?», fragte sie dann. «Um das Geld? Da kann es Ihnen doch völlig egal sein, ob Henning ein Mörder ist oder nicht.»
«Wie klingt das für Sie?», wiederholte Paul.
«Total bescheuert.» Sie schüttelte den Kopf.
«Na», sagte Paul.
«Ja», sagte sie.
«Na ja», sagte Kuli ausgleichend.
Susanne Bürger wandte sich zur Tür und atmete tief durch.
«Viele Frauen haben wegen Henning einen Grund,
Weitere Kostenlose Bücher