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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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die Zahlen durcheinandergerieten.
    «Ich habe Martin bloßgestellt, beleidigt, schlimme Dinge gesagt und mich unmöglich benommen. Das geht nicht. Das möchte ich sagen.» Paul fand eigentlich, das müsste reichen.
    «Erpresst», soufflierte Martin Schulte von der Seite.
    «Ja, gut. Und … und erpresst habe ich ihn», gestand Paul widerwillig. Ein kollektives Raunen entstand, das fast lauter war als das ewige Läuten der Telefone.
    «Arschloch», half Martin Schulte bereitwillig weiter. «Komplett.»
    «Ich war ein komplettes Arschloch», rief Paul fast verzweifelt. «Und ich möchte mich dafür entschuldigen. Entschuldige! Entschuldige! Entschuldige! Martin: entschuldige!»
    Das Schweigen wog schwer. In amerikanischen Filmen würde jetzt applaudiert, dachte Paul. In Berlin herrschte Stille. Paul schlich hängenden Kopfes zurück zu seinem Platz. Er setzte sich hin und sein Headset auf und war der Erste, der wieder einen Kunden annahm. «Schönen guten Tag, T2-Vermittlung, mein Name ist Paul Uhlenbrock, was kann ich für Sie tun?», sagte er und bemühte sich, würdevoll dabei zu klingen.
    Das Schweigen brach auf, seine Kollegen folgten ihm bereitwillig und ausgesprochen gut gelaunt. Sie hatten ein neues Pausenthema, das mindestens bis zur nächsten Woche reichen würde. Paul telefonierte ein wenig vor sich hin, mehr oder minder konzentriert, Herr Kletzke kam aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus, Richard Schiefelbeck kritzelte irgendetwas auf einen Zettel, vielleicht ein neues Gedicht, alles ging seinen gewohnten Gang, zumindest so lange, bis erneut Martin Schulte vor ihm auftauchte.
    «Entsch…gung, Schl…te Verb…dung», sagte Paul und drückte die Pausentaste. Herr Marschall aus Jena musste einen anderen Weg in die nächste Apotheke finden.
    «Okay», sagte Martin Schulte.
    Paul nickte. «Tut mir wirklich leid, das mit deiner Frau», wiederholte er.
    Martin Schulte stand plötzlich wieder aufrecht da und schaute Paul nun direkt in die Augen, mit einem Ausdruck voller Verachtung und Arroganz, wie Paul es von ihm kannte.
    «Wir sind nicht verheiratet», sagte er kalt. «Und ich habe Kerstin natürlich nichts gesagt. Ich bin doch nicht bescheuert. Aber du hältst dich jetzt mal ein bisschen zurück. Und die dreihundert Euro kriege ich am Ersten. Plus hundert Euro Zinsen. Und mit dem Handyfoto kannst du dir den Arsch abwischen.»
    Martin Schulte ging gemächlich zurück an seinen Platz, wo er sich im nächsten Moment die Schuhe auszog und seine partiell weißen Tennissocken auf dem Tisch ausbreitete. Paul seufzte. Die Welt machte es einem nicht leicht, ein besserer Mensch zu werden.

    N ach Schichtende schlenderte Paul durch das grelle Laternenlicht der Hardenbergstraße zur U-Bahn-Station am Zoo. Es war Viertel nach zehn. Seine Kollegen hatten den ganzen Tag einen großen Bogen um ihn gemacht, nur Richard Schiefelbeck hatte einmal kurz den Daumen gereckt und Paul verschwörerisch angegrinst. Kommissar Bernauer hatte sich nicht gemeldet, seine Mutter hatte sich nicht gemeldet, auch sonst schien niemand an ihm interessiert zu sein. Es sei denn, Henning Bürgers Männer waren Meister der Tarnung und lauerten in irgendwelchen Hauseingängen, Einfahrten oder auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Oder in der Luft. Paul war viel zu müde, um sich darum zu kümmern. In jeder Hinsicht. Sollten sie doch alle kommen oder gehen oder gleich wegbleiben, ihm war es egal. Zumindest im Moment. Er griff nach seinem Handy, als ob er heute noch nicht genug telefoniert hätte, und wählte Sophies Nummer.
    «Und? Hast du den Urlaub bekommen?», fragte sie zur Begrüßung. Sie war sofort rangegangen, so als ob sie auf ihn gewartet hätte. War wahrscheinlich Zufall.
    «Ja, habe ich», antwortete er freudlos. «Aber Kuli ist weg. Hat gekündigt.»
    «Wie gekündigt?»
    «Hat keinen Urlaub gekriegt.»
    «Und da hat er gekündigt?»
    «Kuli halt.»
    «Und dann?»
    «War er weg. Hat er dich mal angerufen?»
    «Nee.» Sie schien sich Sorgen zu machen. «Meinst du, da ist was passiert?»
    «Nee», sagte Paul, obwohl er natürlich keine Ahnung hatte. «Meinst du, ich habe ihn zu hart rangenommen? So insgesamt?»
    «Ruf ihn doch mal an.»
    «Nee», erwiderte Paul und nahm ihren nächsten Einwand schon mal vorweg. «Ich weiß, ich sollte das tun, und ich bin manchmal bescheuert. Alle anderen aber auch.»
    «Das stimmt», seufzte Sophie. Dann schwieg sie.
    «Sag mal», begann Paul, weil es ihm auf der Seele brannte und er ja eh schon so

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