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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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oder von Helene Fischer oder vielleicht sogar von Rosenstolz, die Grenzen verschwammen bei denen ja auch, außerdem kannte Kuli sich da nicht so aus. Je mehr aus den Lautsprechern jedenfalls von Glück und großer Liebe und echten Gefühlen gesungen wurde, desto mehr wurde Kuli klar, dass all diese Gefühle hier nicht zu Hause waren. Hinter dem massiven Eichen-Tresen, der genauso abgenutzt, schmierig und verklebt war wie der Rest des Lokals, stand die einzige Frau. Sie war etwa Ende dreißig und wurde von den gestrandeten Männern im Zwanzig-Sekunden-Takt angestarrt. Sie spülte gerade ein paar Gläser und sah erschöpft, aber eigentlich sehr gut aus, wenn auch um die Augen herum schon einige Falten und Ringe auf ein bisweilen hartes Leben schließen ließen.
    «Hallo», sagte Kuli und setzte sich an den Tresen.
    «Nabend», sagte die Frau, die wahrscheinlich Katharina Simunek war. «Ein Bier?»
    «Nee», sagte Kuli. «Spezi.»
    Die Frau nickte, die beiden Alten hielten in ihrem Gespräch kurz inne und stierten Kuli an, als hätte er gerade Babybrei geordert.
    «Schöner Laden», sagte Kuli, um etwas zu sagen.
    «Nee», sagte die Frau und suchte im Kühlschrank unter der Theke nach einer Cola und einer Fanta.
    «Hab dich hier noch nie gesehen.» Sie schenkte Kuli ein. Er kam sich vor wie ein Cowboy, der in eine fremde Stadt geritten war und erstmals den örtlichen Saloon betreten hatte.
    «Bin auch neu hier», sagte er. «Aus Dortmund.»
    «Ist irgendwo im Westen, oder?», fragte sie.
    Kuli stutzte. «Tief im Westen», bestätigte er und nahm einen Schluck Spezi, der so guttat wie jeder erste Schluck Spezi, bevor es eklig wurde.
    «Ich komme ja aus Schkeuditz», sagte sie.
    «Osten?», fragte Kuli.
    «Sachsen.»
    «Hört man gar nicht», lobte er.
    «Abtrainiert», lächelte sie. «Soll man nicht hören.»
    «Kati! Ein Kurzer. Aber zack, zack», rief einer der beiden Angetackerten neben Kuli. Sie rollte kurz und nur für Kuli ersichtlich mit den Augen, dann glitt sie zur Seite und schenkte dem Mann noch einen ein.
    «Nu is aber auch gut, Wolle. Der Abend ist noch lang», sagte sie, aber Wolle quittierte den wohlmeinenden Rat mit einem Achselzucken, um den Schnaps anschließend in einer Nanosekunde hinunterzukippen. Vielleicht ließ sich seine Leber ja auf diese Weise überlisten.
    Kuli atmete tief durch und merkte, wie sich seine Lungenflügel verengten. Er fühlte sich an schlimme Herrenabende beim Bund erinnert, voller Rauch, Schweiß, Suff und Grölerei. Kati kam zurück zu ihm und dem Abwasch.
    «Harter Job», sagte Kuli und umklammerte sein Spezi.
    «Besser als Stütze.» Kati wischte mit einem Lappen über die Theke. Kuli drehte sich um und zeigte auf die paar belegten Tische hinter ihm. «Läuft das denn hier?»
    Zwei der vier Gäste schauten zurück, sie wirkten ein wenig pikiert. Wahrscheinlich versperrte Kuli ihnen die Sicht.
    «Geht schon», sagte sie und wienerte. «Muss aber jeden Tag ran, damit sich das lohnt. Von 9 bis 2 Uhr nachts.»
    «Ach du Scheiße», sagte Kuli und fand sein ehemaliges Call-Center-Leben plötzlich komfortabel.
    «Geht schon», sagte sie erneut.
    «Viel Privatleben ist da ja wohl nicht», bedauerte Kuli und drückte seinen Rücken durch. Wie hielten Wolle und der andere das auf diesen Hockern bloß aus?
    «Besser als den ganzen Tag Glotze an», sagte sie und zuckte mit den Schultern. «Außerdem: Freitags und samstags hab ich frei. Da arbeitet hier der Chef. Wahrscheinlich, um die fetten Trinkgelder selbst zu kassieren. Kann mich also nicht beschweren. Bis auf die Bezahlung.»
    «Freitags und samstags», sinnierte Kuli.
    Sie hielt inne. «Komm nicht auf krumme Gedanken, mein Süßer. Ich hab keinen Bedarf.»
    Kuli zuckte zurück. «Was? Nein! Natürlich nicht», sagte er. «Ach du Scheiße. Nee, so meine ich das doch gar nicht.»
    «Wie meinst du das denn?»
    «So, halt. Könnte ja auch ein Montag sein, wo man frei hat, dachte ich nur. Haben doch viele am Montag frei. Friseure und so.»
    «Das war früher mal.»
    «Was?»
    «Das mit den Friseuren. Das ist heute nicht mehr so.»
    «Echt?», fragte Kuli.
    «Echt», erwiderte Kati trocken. «Außerdem würden mir Wolle und Heinz das gar nicht verzeihen. Die sitzen hier Montagmorgen immer als Erste. Ich war einmal nicht da, weil ich meine Schwester ins Krankenhaus gebracht habe. Hatte sich mit dem Brotmesser die Hand aufgeschlitzt. Da sind die beiden alten Säcke fast ausgerastet. Ja, ich rede von euch, ihr Hansel!»
    Kuli warf einen

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