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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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Seychellen geheiratet. Am Strand. War sehr teuer, hat uns auf Jahre den Urlaub gekostet. Aber es war sehr schön.»
    «Äh, Glückwunsch.» Paul fühlte sich plötzlich ziemlich unwohl.
    «Danke.» Martin Schulte senkte den Kopf und machte eine Pause.
    «Was hast du ihr denn gesagt?», fragte Paul und war eigentlich nicht mehr auf die Antwort angewiesen.
    «Das mit dem Sexladen», sagte Martin Schulte tonlos und schaute vorsichtig ein wenig auf. «Ich wollte nicht länger erpressbar sein.»
    «Na ja, erpressbar», wiegelte Paul ab.
    Martin Schulte schüttelte nur den Kopf. «Sie ist heute Morgen zu ihrer Mutter gereist. Nach Uhldingen-Mühlhofen.»
    «Ah, 07556. Baden-Württemberg», sagte Paul, der natürlich die meisten Vorwahlen Deutschlands parat hatte, weil die viel schneller ins System einzugeben waren als die kompletten Ortsnamen und wertvolle Sekunden Zeit brachten.
    «Baden-Württemberg», bestätigte Martin Schulte leise. «Sehr weit weg. Und sie will nicht zurückkommen. Dabei ist sie schwanger.»
    «Das tut mir … das tut mir leid.» Paul kämpfte plötzlich gegen Hitzewallungen. War vielleicht doch etwas falsch gewesen, die ganze Aktion mit dem Geld und dem Schichttausch und so. Er war wirklich ein Arschloch. Zumindest ab und an. Wenn man nicht auf ihn aufpasste.
    «Ich geb dir das Geld zurück», murmelte er. «Am Ersten.»
    «Das reicht mir nicht.» Martin Schulte zeigte mit zittrigen Fingern auf die Mitte des Büros, dorthin, wo die ansonsten dicht gestellten Mitarbeitertische eine kleine Lichtung ließen und das Deckenlicht am hellsten zu strahlen schien. «Du hast gesagt, du entschuldigst dich bei mir. Vor allen.»
    Paul nickte und setzte das Headset ab. Er fühlte sich auf einmal wie ein richtig schlechter Mensch, keinesfalls besser als Henning Bürger und schon gar nicht besser als Kuli oder Martin Schulte. Wahrscheinlich war es völlig richtig, dass Luna jetzt irgendwo in Barcelona saß und zu irgendeinem Javier Papa sagen würde, denn er hätte es doch sowieso verbockt und aus seiner Tochter ein gebrochenes und charakterschwaches Wesen gemacht, weil sie mit ihm und seinen Macken niemals fertiggeworden wäre; wahrscheinlich hätte er sie zu einem hochneurotischen Wesen erzogen, in die Bulimie getrieben, die Drogensucht, sie hätte irgendwann ein Buch über ihre verkorkste Kindheit und den verdorbenen Vater geschrieben und wäre damit zwar sehr erfolgreich geworden, aber in aller Öffentlichkeit zugrunde gegangen an ihren Wunden und Narben, und er wäre schuld gewesen, und zwar ganz alleine, und niemand hätte ihn noch eines Blickes gewürdigt; er hätte seinen Job verloren und wäre als elender Trinker an irgendeiner Häuserecke im Berliner Winter bei minus 25 Grad verendet, nicht ohne kurz zuvor noch einen angewiderten Passanten im Kaschmirmantel um einen Euro angeschnorrt zu haben. Es war an der Zeit, Buße zu tun und sich zu ändern und das nicht nur zu behaupten, sondern es auch anzugehen, sich weiterzubewegen, hinaus aus dem Schneckenhaus des Zynismus, hinein in die Welt der gutgläubigen Optimismus-Idioten, es war an der Zeit, selbst so ein Optimismus-Idiot zu werden und vielleicht sogar ein paar Freunde zu finden und öfter mal zu lachen und nicht alles immer nur so scheiße zu finden, wie es wirklich war, sondern mal schön oberflächlich über den ganzen Müll hinwegzusehen und sich einfach zu entspannen. Vielleicht klappte es dann ja sogar noch mit Sophie. Er ging also in die Mitte des Büros und räusperte sich. «Entschuldigung», rief er, was natürlich auf keinerlei Resonanz stieß, viel zu laut war es in diesem Sprechgewitter.
    «Kurze Pause», brüllte er also, sodass alle Köpfe wie choreographiert in seine Richtung ruckten. Headsets wurden abgenommen, Kunden weggedrückt, Herr Kletzke verfiel an seinem Schreibtisch in eine Art Starre, ließ zwar seinen Aktenordner sinken, machte ansonsten allerdings glücklicherweise nichts außer einem ungläubigen Gesicht. Nur das impertinente Klingeln der Telefone störte die eingetretene Stille.
    «Ich möchte mich entschuldigen», begann Paul und merkte, wie er errötete. «Öffentlich.»
    «Kein Problem», sagte Richard Schiefelbeck und lächelte.
    «Nicht bei dir!» Paul unterdrückte einen kurzen Anflug des gewohnten Ärgers. «Bei Martin Schulte möchte ich mich entschuldigen.»
    «Ein bisschen schneller, bitte», meckerte Herr Kletzke, der sich zurückgelehnt hatte und das Schauspiel durchaus zu genießen schien, obwohl ihm gerade

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