Schlecht aufgelegt (German Edition)
aufrege, hörst du dir das an, sagst nichts dazu, wie immer, legst auf und gehst zu deinem neuen Freund. Javier, ja? Kann man ja nicht mal aussprechen.»
«Hast du gedacht, ich bleibe den Rest meines Lebens Single?», fragte Marina ruhig.
«Ist doch egal, was ich gedacht habe, was soll ich denn gedacht haben, gar nichts habe ich gedacht. Weiß ich nicht», sagte Paul und verlor seine mühsam aufgebaute Argumentationskette.
«Luna braucht einen Vater», sagte Marina. Und das war keine gute Idee.
«Luna hat einen Vater», brüllte Paul los, als wäre der Korken aus der Flasche gehüpft. «Mich! Kein verdammter Javier, Pablo oder Juan könnte jemals Lunas Vater sein. Ich bin das! Ich!»
«Du bist nicht hier.» Irrte er sich, oder klang Marina jetzt fast ein bisschen traurig? «Und ich will auch nicht, dass du hier bist. Hör dich doch mal an. Dieses ewige Rumbrüllen. Diese schlechte Laune. Du hasst alles. Du hasst die ganze Welt, Paul. Und ich will nicht, dass meine Tochter einen Vater hat, der die Welt hasst. Ich will, dass meine Tochter die Welt liebt, in der sie lebt. Du tust das nicht.»
«Aber ich …», fing Paul an, doch Marina ließ ihn nicht mehr zu Wort kommen.
«Wir melden uns wieder. Und es wäre schön, wenn du dich bis dahin beruhigt hättest», sagte sie kühl und schaute mit flirrenden Augen an ihm vorbei. Offenbar suchte sie mit der Maus den Button zum Auflegen.
«Luna», rief Paul.
«Tschüs, Papa», rief Luna aus dem Hintergrund. Dann fiel das Video in sich zusammen, der Bildschirm wurde schwarz.
Paul starrte sekundenlang ins Leere und rang um Fassung. Das war … das war mit Abstand die fürchterlichste Woche seines Lebens. Und es war gerade erst Dienstag. Er klappte den Computer zu und stand auf. Was für eine Scheiße. Er rieb sich die Augen, dann suchte er seine Zigaretten. Beruhigen, beruhigen, beruhigen. Das Telefon klingelte. Er ließ die Zigarette fallen und stürmte hin. Das mussten sie noch einmal sein. Marina würde sich entschuldigen. Luna würde ihm gute Nacht sagen. Er nahm den Hörer ab.
«Ja?», fragte er atemlos.
«Paul, ich bin’s, Kuli», sagte eine Stimme, die er ganz und gar nicht erwartet hatte und die er ganz und gar nicht hören wollte.
«Was willst du denn?», fragte er unfreundlich. Das durfte ja wohl nicht wahr sein. Was wollte der denn?
«Diese Tote …», sagte Kuli so vorsichtig, als gruselte ihn schon der Gedanke daran.
«Mann, ich denke, du willst da nicht drüber reden», schnappte Paul zurück. «Außerdem können wir das ja wohl auch morgen …»
«Nee, wollte ich auch nicht», unterbrach ihn Kuli. «Aber ich muss. Ich hab Post bekommen.»
«Ist ja wahnsinnig interessant.»
«Von der Toten, verdammt noch mal. Von Lisa Gerhard!»
Es dauerte einen Moment, bis Paul die Tragweite dieser Aussage bewusst wurde. «Scheiße, ich bin gleich bei dir!» Er legte auf und machte sich auf den Weg, ohne zu wissen, wohin überhaupt.
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Bio-Kaffee
N ow War Is Declared, And Battle Come Down , sang eine männliche Stimme über einen stakkatohaften Beat.
Paul fand das ziemlich laut. «Muss das sein?», fragte er und zeigte auf den Plattenteller, auf dem sich eine schwarze Vinylscheibe drehte.
Kuli nickte und schob Paul mit dem Fuß einen anscheinend achtlos auf den Boden geworfenen Sitzsack zu. «Woher hast du denn eigentlich meine Adresse?», wollte er wissen. Paul ließ sich fallen. Der Sitzsack war gelb und bot keinen Widerstand, Paul versank fast vollständig in seiner Mitte und verspürte einen unangenehmen, stechenden Schmerz, als sein Steißbein auf den Boden prallte.
«Hab die Auskunft angerufen», sagte er gepresst.
«Wer war denn dran?», fragte Kuli.
«Ich ruf doch nicht unsere eigene Auskunft an», erwiderte Paul und versuchte mühsam, wieder aufzutauchen. «Ich bin doch nicht bescheuert.»
«Nee, klar.» Kuli bot Paul die Hand an, um ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien. Paul lehnte ab. Stattdessen drehte er sich im Sitzen in die Bauchlage, schob sich auf die Knie, robbte rückwärts aus dem Sack heraus und schoss endlich so elegant in die Höhe wie Marilyn Monroe aus einer Torte. Fand er zumindest. «Was ist denn das für ein Scheiß?», fragte er vorwurfsvoll.
«Ein Sonderangebot. Von Rudis Resterampe», sagte Kuli. «Wollte wohl keiner haben, weil das Ding zum Ausprobieren schon ein halbes Jahr da rumlag. Zehn Euro. Ich find’s gut. Kann man wunderbar Musik drin hören.»
«Ja, Musik», sagte Paul und blickte
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