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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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angewidert auf den Sitzsack, an dem sich die Keime Zehntausender Resterampe-Kunden befanden. Er schaute sich um. Kulis Wohnzimmer, das eigentlich nicht allzu groß war, wurde von etlichen bis zur Decke reichenden Regalen bestimmt, in denen unzählige Schallplatten gelagert waren. Unmöglich abzuschätzen, wie viele das sein mochten. Auf jeden Fall Tausende. Drum herum, in den Nischen und Ecken, standen zusätzlich etwa zehn CD-Regale, die bewiesen, dass Kulis Musikleidenschaft zumindest teilweise auch eine Verbindung zur Gegenwart besaß. Obwohl, dafür bräuchte es wahrscheinlich einfach nur eine Festplatte, dachte Paul. CDs waren ja auch schon wieder vorbei. Auf dem Boden stand eine fast altertümlich wirkende, aber sicher sehr hochwertige Stereoanlage mit Plattenspieler, dazu gab es zwei an der Decke aufgehängte Boxen und einen großen LCD-Fernseher, neben dem ein Blu-Ray-Spieler, ein DVD-Recorder, ein Digital-Receiver und ein Surround-Verstärker einfach aufeinandergestapelt waren. Lose über die Dielen gelegte Kabel führten zu fünf im Raum verteilten Satelliten und einem an der Wand stehenden Subwoofer. Ein kleines Regal beherbergte etwa ein Dutzend DVD-Koffer aus Aluminium, obenauf thronte ein Glaskopf als Aufbewahrung für ein Paar Kopfhörer. Vor einem blauen Kinderschreibtisch mit Bärchenaufdruck stand ein ebenso niedriger Stuhl in Rot, darunter ließ ein voluminöses PC-Gehäuse kaum Platz für die Füße, es sei denn, man war drei Jahre alt und trug allerhöchstens Stoppersocken. Ein recht eindrucksvoller und in diesem Ambiente überdimensioniert wirkender Bassverstärker, der durch ein rotes Kabel mit einem im dafür vorgesehenen Ständer befindlichen Bass verbunden war, lehnte vor sich hin staubend in einer wie durch ein Wunder frei gelassenen Ecke. Dann gab es noch den gelben Sitzsack. Und sonst nichts.
    «Sag mal, wie wohnst du denn?» Paul hatte sich jetzt irgendwie warm gemotzt.
    «Wieso, wie wohn ich denn?», entgegnete Kuli erstaunt und sah sich um, als wäre er sich der Absonderlichkeit seines Zuhauses nicht bewusst.
    «Na ja, so ein paar ganz normale Möbel …», begann Paul, stoppte sich aber in letzter Sekunde. «Egal. Ist ja deine Sache», lenkte er ein. «Kannst du das jetzt endlich mal leiser machen?» Er zeigte auf die Stereoanlage.
    «Das ist The Clash», sagte Kuli vorwurfsvoll, öffnete die Haube seines Schallplattenspielers und betätigte den Tonarm. The Clash verstummten beleidigt.
    «Hab ich ja gar nichts gegen.» Paul reichte Kuli die an einem der Fächer lehnende Plattenhülle. «Wie viele Schallplatten sind das denn?», fragte er.
    «Weiß ich nicht.» Kuli schaute so, als hätte er sich diese Frage noch nie gestellt, fände sie aber durchaus interessant. «Hab’s noch nicht geschafft, die zu zählen. So ein paar zehntausend vielleicht. Kommen dauernd welche hinzu.»
    «Das ist … speziell», sagte Paul.
    Kuli zuckte mit den Schultern. «Hat doch jeder seine Hobbys», stellte er fest und ordnete The Clash zielgerichtet in einem der oberen Fächer des fensternahen Regals ein. «Mein Hobby ist halt aus Vinyl.»
    Was für ein Scheiß, dachte Paul. «Schön», sagte er.
    «Soll ich dir denn jetzt mal den Brief zeigen oder nicht?» Kuli klang dennoch leicht gereizt.
    «Natürlich.» Paul klatschte in die Hände, wie um die schlechten Schwingungen zu vertreiben, die er selbst verursacht hatte, und wurde geschäftsmäßig. «Erst mal den Umschlag. Da muss man systematisch vorgehen.»
    Kuli zog aus seiner rechten Hosentasche einen zerknüllten Umschlag hervor und entfaltete ihn umständlich.
    «Sag mal, spinnst du?» Paul konnte es nicht fassen. «Wie gehst du denn mit Beweismaterial um?»
    «Was denn für ein Beweismaterial?», wunderte sich Kuli. «Das ist ein Brief.»
    Paul seufzte und nahm Kuli den Umschlag aus der Hand. Augenblicklich durchfuhr ein angenehmes Kribbeln seine Fingerspitzen. Er kam sich plötzlich vor wie Sherlock Holmes höchstpersönlich. Aber der coole, junge, aus dieser neuen BBC-Serie, nicht der alte mit der dämlichen Mütze und der Pfeife. «Also …», kombinierte er, «… mit der Post geschickt wurde der schon mal nicht. Keine Briefmarke, keine Adresse.»
    «Richtig», nickte Kuli.
    Paul betrachtete die Rückseite. Ein L und ein G standen da, in schwarzen Druckbuchstaben.
    «Und da bist du gleich darauf gekommen, dass der von Lisa Gerhard sein muss? Respekt!», sagte er, um mal was Positives zu sagen. Er spürte, Kuli konnte das gebrauchen, und immer

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