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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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besessen oder ein Musikkonzert besucht hatte. Gut, Kuli konnte seine Liebschaften auch sehr bequem auf einen Hanuta-Deckel schreiben, aber er hatte wenigstens Erfahrungen gemacht, irgendwelche zumindest, und er konnte nicht verstehen, wieso sein ältester Freund Ralf sein einsames Leben auch noch zu genießen schien.
    Sie hatten zuletzt nur noch lose Kontakt gehabt, ihre Wachzeiten lagen zu weit auseinander, aber gestern Abend hatte Kuli ihn trotz der späten Stunde angerufen, weil sein ältester Freund Ralf der Einzige war, dem er das von dem Mord erzählen konnte und der zu dieser Zeit noch erreichbar war.
    «Ich muss dir was erzählen», hatte Kuli zur Begrüßung gesagt. Sie hatten sich seit Wochen nicht gesprochen, aber eine umfassendere Einleitung war nicht nötig.
    Kuli hörte im Hintergrund ein Gemisch aus Zaubersprüchen, Kampfgeräuschen und epischer Musik. «Ich speichere mal eben ab», sagte Ralf mit seiner monotonen Stimme und speicherte wohl mal eben ab, zumindest war jetzt eine gute Minute Schweigen in der Leitung, bis das Gemisch verstummt war und Ralf den Hörer zurück ans Ohr nahm. «Da darf man keinen Fehler machen», sagte er und gähnte. «Ich bin ganz Ohr.»
    «Ich hab ’ne Leiche gefunden», sprudelte Kuli los, «also, mein Kollege Paul und ich, aber die war noch gar nicht tot, als wir da waren, erst am nächsten Tag, und jetzt will der Paul, dass wir das rausfinden, ob das wirklich dieser Politiker war, ich darf dir aber nicht sagen, wer, sonst ist das richtig gefährlich.»
    Jeder andere hätte Kuli jetzt wahrscheinlich ein paar Fragen gestellt oder ihn wegen seines unstrukturierten Geschwafels getadelt, nicht aber Ralf. Seine spieltaktikerprobten Synapsen brachten die Schlüsselbegriffe offensichtlich in Windeseile in eine logische Reihenfolge. «Nichts verraten», bestätigte er. «Kann ja auch sein, dass die Leitung abgehört wird.»
    «Wieso das denn?», fragte Kuli verdattert.
    «Wenn du wüsstest, was alles wie und wo abgehört wird», flüsterte Ralf tonlos.
    «Verstehst du, ich bin in einen Mord verwickelt, der Kommissar glaubt, wir waren das, der Paul und ich», sagte Kuli aufgeregt und hatte irgendwie auf mehr gehofft, auf ein Oh oder Ah, wider besseren Wissens eigentlich, denn er kannte seinen Freund Ralf ja und wusste, dass Ralf auch im Falle eines Atomangriffs erst einmal in aller Ruhe ein Festplatten-Backup machen würde, bevor er in den Bunker ging. Was er aber auch nur dann tun würde, wenn es dort WLAN gab.
    «Abgefahren», sagte Ralf unbeeindruckt und schniefte. «Du musst dich jetzt schützen, hörst du, Kuli.»
    «Gegen wen?»
    «Gegen die Polizei. Gegen den Staat», sagte Ralf und senkte die eh immer etwas schwer zu verstehende Stimme. «Weißt du doch, die suchen den Täter nicht wegen der Gerechtigkeit, sondern wegen der Quote. Für ihre eigene Pension. Um die zu sichern. Da gehen die über Leichen. Buchstäblich.» Ralf schniefte noch einmal. Hatte wohl Schnupfen, dachte Kuli.
    «Wie verdächtig bist du?», fragte Ralf dann.
    «Ich glaube, ziemlich. Der Kommissar ist ein ganz scharfer Hund, ist das.»
    «Geh ins Ausland!»
    «Red doch keinen Scheiß, Ralf. Was soll ich denn im Ausland? Außerdem war das doch dieser Politiker, hab ich dir doch gesagt!»
    «Kann ich den kennen?»
    Kuli wusste, dass Ralf weder Zeitungen las noch Nachrichtensendungen verfolgte.
    «Nein», sagte er. «Jeder andere aber schon.»
    «Dann geh ins Ausland», sagte Ralf noch einmal und schwieg einen Moment.
    «Ralf?», fragte Kuli.
    «Ich glaube, es ist besser, du rufst mich nicht mehr an», sagte Ralf und legte einfach auf.

    K uli seufzte, erhob sich von seinem Sitz und stieg am Südstern aus. Als er die Steintreppen nach oben stapfte, dachte er immer noch an Ralf. Der war irgendwie auch keiner mehr, auf den man sich verlassen konnte. Vielleicht reichte das auch gar nicht, eine gemeinsame Vergangenheit zu haben, vielleicht war das auf Dauer einfach nicht genug für eine ewige Freundschaft. Andererseits, dachte Kuli, hatte Ralf ihm so viele Computerspiele gebrannt und damit für so viele Stunden Spaß gesorgt, dass er mal nicht so hart urteilen sollte. Ist ja auch nur ein Gefangener seines eigenen Kopfes, dachte Kuli und freute sich über diesen versöhnlichen Gedanken. Er würde ihn morgen einfach noch mal anrufen. Oder heute Abend.
    Am Ende der Treppen stand er plötzlich vor dem Blumengeschäft, das sowohl von der U-Bahn-Station als auch von der Straße zugänglich war. «Blumen-Paradies»

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