Schlecht aufgelegt (German Edition)
Stoffbezug nicht zu sehr raschelte und er sie mit seiner Bewegung weckte.
Ihr Anblick versetzte ihm einen Stich. Zunächst, nach dem Sex, hatte er sie total männlich noch eine ganze Weile im Arm gehalten, so lange, bis sie endgültig eingeschlafen war und sein Arm auch. Also hatte er den Arm vorsichtig unter ihrem Nacken hervorgezogen in dem Versuch, sie nicht wieder aufzuwecken, was sie zunächst mit einem einzelnen Schnarcher quittiert und sich dann auf die andere Seite gedreht hatte. Dann hatte er sie zugedeckt, was ihm einerseits leidtat, zumal er sie gerne noch ein wenig betrachtet hätte, was er andererseits aber nicht anders verantworten konnte, denn in diesem Hotelzimmer war es nicht nur so zugig wie auf Gleis acht des Berliner Hauptbahnhofs, sondern auch so arschkalt wie am Hintern des hintersten Nordpol-Pinguins. Also musste man Prioritäten setzen. Und es war doch in ihrer beider Interesse, wenn Bettina sich keine Lungenentzündung holte.
Kuli seufzte. Wie lange war das jetzt eigentlich her gewesen seit dem letzten Mal? Fünf Jahre? Sieben? Aber letztlich war das doch wie Fahrrad fahren. Man verlernte es nicht. Gut, Fahrrad fahren dauerte gewöhnlich etwas länger, es sei denn, man fuhr nur mal kurz zum Supermarkt am Ende der Sackgasse, aber das hier war ja kein Leistungssport, und Bettina hatte sich nicht beschwert, sondern seine Wange geküsst, sich umgedreht und war in seinen Armen sanft entschlummert. So schlecht war das also doch eigentlich alles nicht gelaufen. Wirklich nicht!
Dennoch fühlte er sich seltsam schwer. Er wusste: Es hatte alles keinen Sinn. Es gab keine Zukunft für sie beide, das war klar. Er war ja kein Spinner. Und wer wusste schon, ob die Bettina das nicht regelmäßig mit irgendwelchen Typen machte, also das Ganze vielleicht gar nicht so wahnsinnig persönlich meinte mit ihm. Aber irgendwie – so insgeheim –, da hätte Kuli doch Lust gehabt, schon mal das gemeinsame Wohnzimmer einzurichten, rein hypothetisch natürlich. Aber das ging eben nicht. Sein falscher Name stand zwischen ihnen. Der Mord an Lisa Gerhard stand zwischen ihnen. Und irgendwann musste er es ihr sagen, sie aufklären über ihn und die Art und Weise, wie er sie benutzt hatte. Aber wann? Konnte es dafür überhaupt den richtigen Zeitpunkt geben? Er sah zu ihr hinüber. Ihr Mund stand halb offen und entblößte die etwas schiefen Vorderzähne. Sie sah süß aus und sehr friedlich. Er wäre gerne öfter neben ihr aufgewacht. Kuli seufzte noch einmal, drehte sich zur Seite und schloss die Augen.
Da klingelte sein Handy. Er sprang aus dem Bett, stolperte über irgendetwas, vielleicht seine Schuhe, und machte ordentlich Lärm dabei. Auf der Suche nach seiner Hose stieß er mit dem nackten Fuß gegen den Bettpfosten und stöhnte vor Schmerz auf. Bettina knurrte unwillig, brummelte Unverständliches und drehte sich auf die Seite. Kuli hielt kurz inne, genau so lange, wie sein Telefon zwischen zwei Klingeltönen innehielt. Dann suchte er weiter. Da war sie ja, die Hose. Fein säuberlich auf einen Stuhl gelegt. Wann hatte er denn dafür Zeit gehabt? Während er hektisch in seinen Hosentaschen wühlte, schaute er auf die Wanduhr, die sicherlich noch aus den fünfziger Jahren stammte und im Zwielicht gut abzulesen war. Es war halb zwei. Wer konnte das sein? Doch eigentlich nur Ralf. Als er sein Handy, das mittlerweile fünf Mal geklingelt hatte, endlich in den Fingern hielt, stürmte er ins Bad. Die Rufnummer war unterdrückt, das sprach sehr für Ralf.
«Ja?», flüsterte er so leise wie möglich. Bettina durfte auf gar keinen Fall aufwachen.
«Ende, aus, Micky Maus!», rief eine aggressive und etwas undeutliche Stimme vom anderen Ende der Leitung.
«Paul, bist du das?», fragte Kuli und blickte nervös durch den Türspalt rüber zum Bett. Bettina rührte sich nicht. Jetzt ging im Bad auch noch die Lüftung an – und zwar mit der Lautstärke eines startenden Düsenjets. Kuli schnaubte.
«Feierabend!», rief Paul. «Kannst du alles vergessen, das mit dem Foto und so. Foto am Arsch! Ich hab den im Fernsehen gesehen! Auf Phoenix! Der wird gewählt und nicht verhaftet! Von mir! Jawohl!»
«Paul, bist du betrunken?», fragte Kuli besorgt. Er sollte aufhören, Pauls Namen zu erwähnen, dachte er. Nachher schlief Bettina doch nicht so fest, wie es aussah.
«Von mir!», war Pauls Antwort. «Ich wähl den!»
«Paul, ich kann jetzt nicht reden», flüsterte Kuli gegen die Lüftung an und schalt sich einen Flachdenker,
Weitere Kostenlose Bücher