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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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Holznachttisch, schaltete den Fernseher ein und zappte sich durch die Kanäle. Hier ein Krimi, da ein Krimi, dort eine Castingshow, da was mit Lachern vom Band, dort eine Doku, da eine Country-Band, dort eine …
    Kuli brauchte einen Moment, dann schaltete er, und zwar zurück. Auf einem Berliner Lokalsender, in einer irgendwie industriell wirkenden Billigkulisse und vor einem aufgeklebten Wüstenplakat mit Kaktus, spielte eine Countryband einen Heuler, der laut Untertitel Urlaub mit Doc Holliday hieß. Vorne fiedelte ein etwa sechzigjähriger Teufelsgeiger mit J. R. Ewings Stetson auf dem Kopf und Vollbart unter der Nase, daneben knödelte ein ziemlich untersetzter Cowboy mit Schnäuzer, heroisch hochgezogenen Augenbrauen und Westerngitarre einen Text von seiner großen Liebe, die er irgendwo in Tombstone verloren hatte. Ein hagerer Bassist, der nach Vorstadtindianer aussah und passenderweise eine Feder im schwarzen Haar trug, wippte im Takt dazu. Hinter den dreien saß ein weiterer Cowboy am Schlagzeug und trommelte mit verzücktem Gesichtsausdruck und Kippe im Mundwinkel, was die Felle hergaben. Kuli kannte diesen Mann. Das lange Gesicht, die Brille, die hohe Stirn, das geschmacklose Wolfshemd: Das war eindeutig Herr Kletzke. Das Lied endete, Herr Kletzke schlug noch einmal das große Becken, stand auf und verneigte sich gleichzeitig mit den anderen Cowboys. Etwa zehn Zuschauer im Studio johlten und pfiffen vor Begeisterung, ein Moderator freute sich über die Rolling Horsemen und versprach einen weiteren Song nach einer kurzen Unterbrechung. Kuli schaltete den Fernseher aus, gerade als das Sonnenstudio Mallorca zu einer werblichen Powerpoint-Präsentation ansetzte. Berlin war so krass.
    Er zögerte, ertrug die plötzlich eingetretene Stille nicht und griff zu seinem Telefon. Oh Mann, das Ladegerät lag ja auch zu Hause. Er hatte nur noch einen Balken. Das würde höchstens reichen, wenn er das Handy nachher ausmachte. Man war doch ganz schön abhängig von der Technik, dachte er und wählte aus alter Gewohnheit die Nummer seines ältesten Freundes Ralf an. Es klingelte etwa fünf Mal, dann ging Ralf tatsächlich ans Telefon.
    «Du», sagte Ralf und schniefte.
    «Ich», sagte Kuli und hätte jetzt gerne losgelassen, Ralf etwas vorgeheult und ihm seine Scheißsituation, denn um eine solche handelte es sich ja nun mal, erklärt und gefragt, ob er jetzt irgendwie zu ihm, Ralf, nach Dortmund kommen und dieses bescheuerte Call-Center, diese bescheuerte Stadt und auch diesen, na ja, bescheuerten Paul hinter sich lassen konnte. Aber er wusste, auch dieses Mal war Ralf leider keine Option, wenn er in den letzten Jahren überhaupt jemals eine gewesen war. Wie auch immer, Kuli freute sich fast, im Hintergrund kryptische Verwünschungen und epische Musik zu hören. Ein Stück Normalität war das.
    «Kann ich reden?», fragte Kuli.
    «Ich hab dir schon mal gesagt, die hören dich vielleicht ab», sagte Ralf unwillig und fluchte heftig, wahrscheinlich war einer seiner Elfen, Zwerge oder Krieger gerade in einem Zauberduell ums Leben gekommen.
    «Ich bin in einem Hotel», sagte Kuli.
    «Aber du rufst doch vom Handy an, da ist das scheißegal, wo du bist. Wieso rufst du mich eigentlich immer und immer wieder an? Ich denk, wir sind Freunde?»
    Im Hintergrund gab es eine riesige Explosion, und Kuli hörte, wie Ralf verbissen so etwas wie «Yes» zischte.
    «Geh doch einfach nicht ans Telefon», sagte er verstimmt und bereute es ein weiteres Mal, Ralf angerufen zu haben. Wo waren bloß die alten Zeiten hin? Plötzlich verstummten alle Geräusche bis auf ein monotones Mittelalter-Gedudel, das der erfahrene Computerspieler Kuli sofort als Pausenmusik erkannte. Sein ältester Freund Ralf hatte auf die Escape-Taste gedrückt und seine Schlacht unterbrochen. Ihm zuliebe.
    «Hör mal zu», sagte Ralf, wie immer, ohne seiner Stimme tonale Schwankungen zuzumuten. «Mir geht hier echt der Arsch auf Grundeis. Ich wohne nur deshalb noch hier, weil ich jeden Tag schlafe, wenn der Vermieter oder der Gerichtsvollzieher klingeln. Ich kann mich kaum noch über Wasser halten, und meine Alten schießen auch nichts mehr dazu. Ich hab echt üble Probleme mit der Gesundheit, und jedes Mal, wenn du anrufst, kackst du mich mit deinen Detektiv-Spielchen an. Du hast einen Job, du bist in einer geilen Stadt, und du versaust dir die ganze Scheiße, weil du irgendeinem Superguru ans Bein pinkeln musst. Und da soll ich dir helfen? Ich? Du könntest ja auch

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