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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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Führung ausgebaut, zwei zu null für ihn.
    «Ich sag’s ja, Sie sind witzig», meinte sie und guckte auf die Uhr.
    «Aber nur bei Ihnen», antwortete Paul wahrheitsgemäß.
    «Umso besser. Wir können du sagen», sagte sie. «Auch wenn in drei Minuten alles vorbei ist.»
    «Einverstanden», sagte Paul. «Seit wann bist du schon in Berlin?»
    «Das ist eine Spießerfrage», sagte Sophie Müller und rümpfte die Nase. Sommersprossen, dachte Paul.
    «Okay, dann anders. Was ist denn das für eine Scheiße mit Head Of Artists oder wie auch immer?», fragte er also.
    «Lächerlich ist das, oder?», fragte sie zurück.
    «Allerdings.»
    «Und das sagt ein sogenannter Call-Center-Agent zu mir.»
    «Okay», sagte er und nahm den Anschlusstreffer gelassen entgegen.
    «Was ist schiefgegangen?», fragte sie.
    «Studium für die Tonne, keinen Plan, keine Hobbys, die man zum Beruf machen konnte – blieb also nur Geld verdienen mit etwas, das jeder kann. Also, fast jeder», sagte Paul und dachte kurz an Frau Gutschmidt.
    «Genau wie bei mir», sagte Sophie Müller. «Nur sehe ich gut aus, also noch, und darauf stehen die bei den Agenturen. Da kriegst du jeden Job, wenn du dich nur gut genug verkaufen kannst.»
    «Hochgeschlafen?», fragte Paul.
    «Einmal», antwortete sie und zeigte nun ein erstes Anzeichen von Irritation.
    «Hätte ich auch gemacht», sagte Paul. «Aber unser Personalleiter Herr Monschau sieht einfach scheiße aus.»
    Sie lachte erneut, und Paul hatte gleichsam die Situation entkrampft wie den alten Vorsprung zurückerobert. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit war er nun fast uneinholbar vorne.
    «Jetzt vielleicht die Karte?», fragte die freundliche Kellnerin mit den brünetten Haaren, die die ganze Zeit neben ihnen stehen geblieben war und deren Wangenfarbe nun ein zartes Rosa offenbarte.
    «Ja, bitte», sagte Sophie Müller und grinste Paul an.
    «Wenn’s sein muss», sagte Paul, hob resignierend die Schultern und tanzte in Gedanken.

    K uli dachte an Messer, Karate, nach hinten ausschlagen, den Tod und die Flucht, alles gleichzeitig, und weil das im Gehirn einfach nur eine einzige Soße verursachte, löste er erst einmal die Kette vom Einkaufswagen. Das mit den zwanzig Cent klappte wirklich erstaunlich oft. Aber was nun? Man ging ja rückwärts mit seinem Einkaufswagen hinaus, das war nicht optimal, da konnte man allzu leichtfertig in eine Klinge laufen.
    «Passen Sie auf», sagte nun eine sehr tiefe, sehr brummige und vor allen Dingen sehr nahe Stimme zu ihm. «Ich stehe direkt hinter Ihnen.»
    «Ich bin unbewaffnet und möchte nicht erstochen werden», sagte Kuli hastig, dem nun ein wenig kühles Nass den Rücken hinunterlief.
    «Das will ich doch hoffen», raunte die Stimme. Kuli spannte die Muskeln an. Wenn sich schon gleich ein Messer in seinen Rücken bohren würde, sollte der Weg zumindest beschwerlich sein.
    «Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Ihnen einen Euro gebe und Sie mir dafür Ihren Einkaufswagen?», fragte die Stimme nun.
    Kuli gönnte seiner Angst eine kleine Pause, hob irritiert die Augenbrauen und drehte sich um. Hinter ihm stand ein älterer Herr, vielleicht Mitte sechzig, im Lodenmantel, der auch um diese Uhrzeit eine dunkle Sonnenbrille trug. Er sah ziemlich kräftig aus und hatte ungefähr doppelt so breite Schultern wie Kuli. Vielleicht stammte der Lodenmantel aus den Achtzigern und hatte Schulterpolster, dachte Kuli, um sich zu trösten. Der Mann hatte eine Glatze und war offensichtlich blind, wovon schon der gelbe Sticker mit den drei schwarzen Punkten am Revers des Mantels zeugte. In der linken Hand hielt er ein Eurostück und zielte damit knapp an Kuli vorbei. Kuli atmete tief durch. «Mann, haben Sie mich erschreckt», sagte er.
    «Das tut mir leid», antwortete der Blinde mit seiner tiefen Stimme und grinste Kuli durch einen Achttagebart hindurch an.
    «Da sind nur zwanzig Cent drin», sagte Kuli. «Brauchen Sie mir keinen Euro für zu geben.»
    «Wie ehrlich von Ihnen», sagte der Blinde. «Halb Berlin hätte den Euro genommen und wäre damit abgehauen.»
    «Weiß ich nicht», sagte Kuli und schob den Mann vorsichtig und rückwärts aus dem Gestänge. Einen Stock hatte der Blinde seltsamerweise nicht dabei; er bewegte sich sowieso sehr selbstsicher, sehr geschmeidig. Vielleicht war er schon seit seiner Geburt blind, dachte Kuli, oder vielleicht kannte er die Gegend hier einfach wie seine Westentasche.
    «Wie viel brauchen Sie denn?», fragte er.
    «Nicht so

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