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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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viel», erwiderte der Mann. «Nur das Nötigste.»
    «Na, dann teilen wir uns einfach den Einkaufswagen», schlug Kuli vor. «Ich brauche nämlich auch nur das Nötigste. Wir gehen zusammen rein, und ich helfe Ihnen bei den Einkäufen, einverstanden?»
    «Sehr, sehr nett», sagte der Blinde und schien sich aufrichtig zu freuen. «Sie kommen nicht aus der Stadt, was?»
    «Aus dem Ruhrgebiet», sagte Kuli.
    «Und da sind die Menschen hilfsbereit?»
    «Kann nicht für alle sprechen. Hab aber schon das Gefühl», sagte Kuli konzentriert und führte die Zunge an die Oberlippe, weil er merkte, dass es gar nicht so einfach war, einen Blinden und einen Einkaufswagen gleichzeitig durch die schmale Eingangstür zu bugsieren. Im Supermarkt war kein einziger anderer Kunde zu sehen. Eine Verkäuferin saß rechts von ihnen an der Kasse und las in einer Frauenzeitschrift.
    «Wie heißen Sie, junger Mann?», fragte der Blinde.
    «Ulrich. Ulrich Kulenkampff», sagte Kuli und versuchte sich zu orientieren. Nahe des Eingangs war der Obstbereich, okay, so weit also alles wie immer.
    «Ah, wie der Showmaster», sagte der Blinde und lächelte. «Habe ich immer gerne gehört.»
    «Ach, hat der auch mal Radio gemacht?», fragte Kuli und riss eine der dünnen Plastiktütchen von der Rolle, um ein paar Birnen einzupacken.
    «Nein», sagte der Blinde und schien sich seinerseits zu orientieren, indem er die Nase hob und in der Luft herumschnüffelte.
    Kuli legte drei Birnen in den Einkaufswagen, deren Stiele die Plastiktüte bereits im Moment des Einpackens durchbohrt hatten. Da musste man nachher aufpassen, nahm er sich vor, sonst fiel da alles raus und runter, sonst gab das eine Riesensauerei und Druckstellen.
    «Möchten Sie auch etwas Obst?», fragte Kuli.
    «Nein, ich bin erst später dran», sagte sein Gegenüber und hielt sich am Einkaufswagen fest. «Die Birnen von hier müssen Sie gut waschen, bevor Sie sie essen», ergänzte er und übernahm selbstsicher die Steuerung des Einkaufswagens. «Am besten schälen.» Durch die dunkle Sonnenbrille war nicht einmal zu erahnen, wohin seine Augen dabei blickten. Kuli fragte sich, woher der Mann wusste, dass er Birnen in den Einkaufswagen gelegt hatte, und bewunderte gleichzeitig diesen federnden Gang. Klar, der trieb Sport, der brauchte einen Ausgleich, logisch.
    «Ich hab leider kein Schälmesser im Hotel», sagte Kuli und nahm sich einen Joghurt aus dem Kühlregal zu seiner Linken.
    «Ach, Sie sind nur auf der Durchreise?», fragte der Blinde und zeigte auf ein Regal auf der gegenüberliegenden Seite. «Da drüben sind die Getränke, oder?», fragte er.
    «Genau», staunte Kuli. «Sie waren wohl schon ganz schön oft hier, was?»
    «Ist das erste Mal», sagte der Blinde. «Ich bin schon mein ganzes Leben blind. Aber ich kann gut riechen.»
    «Toll», sagte Kuli.
    «Und spüren. Sie zum Beispiel haben Angst», führte der Mann weiter aus, lächelte und nahm genau im richtigen Moment die Kurve um fünfundvierzig Grad, um nicht ins Wurstregal zu fallen.
    «Ja, aber nicht vor Ihnen», sagte Kuli und überlegte, ob er dem Fremden im Lodenmantel etwas von seiner Geschichte erzählen sollte. Wie hieß denn noch mal der Film mit diesem blinden Samurai, dachte Kuli. Genau, das war es: Er fühlte sich im Moment wie der Schüler eines weisen blinden Samurais.
    «Nee, ich bin nicht auf der Durchreise, ich bin quasi auf der Flucht. Ich bin da in so eine Geschichte geraten, in die ich gar nicht rein wollte», sagte er also.
    «Etwas Illegales? Dann will ich es nicht wissen.» Der Mann blieb abrupt stehen.
    «Nein, nein», beschwichtigte Kuli hastig und stellte ein großes Glas Wiener Würstchen mit Bio-Siegel in den Wagen. «Also, nicht von mir. Oder uns. Oder nur so ein bisschen, weiß noch nicht genau. Der Paul und ich, wir sind so Arbeitskollegen, sind wir, und wir haben da so eine Sache am Haken.»
    «Eine Sache?»
    «Ja, so eine Sache halt», eierte Kuli herum.
    «Drogen?»
    «Nein! Natürlich nicht!»
    «Mord?», fragte der Blinde, vor dem man offenbar nichts verbergen konnte.
    «Na gut, Mord», seufzte Kuli. «Aber wir waren das nicht, das war so ein Politiker, also, vielleicht war der das. Wir jedenfalls nicht. Aber wir sind da gerade dran.»
    «Das klingt, bei allem Respekt, ganz schön konfus», sagte der Blinde. «Was heißt denn, Sie sind da dran?»
    «Wir arbeiten dran», blieb Kuli vage.
    «Sie beide erpressen ihn, den Politiker, der – wie heißt er – Paul und Sie?»
    «Nein, auf gar

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