Schlecht aufgelegt (German Edition)
der Kellnerin. Nachtisch stand an. Kaiserschmarren. Karamellisiert. Mindestens.
«Ich kann wirklich unerbittlich sein. Spätestens nächstes Jahr kommt der ins Dschungelcamp», nickte Sophie und schaute über Pauls linke Schulter. Das tat sie nicht zum ersten Mal.
«Ist da irgendein Typ, der dir gefällt? Soll ich einen Kontakt herstellen?», fragte Paul. Sophie lachte.
«Nee, der steht wohl eher auf Männer», erwiderte sie. «Starrt die ganze Zeit hier rüber, aber irgendwie immer nur zu dir. Ich weiß gar nicht, ob ich beleidigt sein soll.»
«Guten Geschmack hat er jedenfalls», sagte Paul und freute sich über die Dessertkarte, die ihm ohne große Worte, aber mit einem freundlichen Lächeln gereicht wurde.
«Der ist dir sogar gefolgt, als du eben aufs Klo gegangen bist», ergänzte Sophie und runzelte die Stirn.
«Nee, da war ich alleine. Das wüsste ich aber», sagte Paul und entschied sich für die Mousse. Heute war ihm alles egal.
«Der ist dir gefolgt», beharrte Sophie. «Und der sitzt da ganz alleine und hat gewartet, bis wir was bestellt haben, und jetzt, wo du dir die Karte noch mal hast geben lassen, hat der sich die auch noch mal geben lassen. Und der schreibt sich Sachen auf. Wahrscheinlich, wie du so aussiehst und so. Vielleicht hat der so einen Fetisch und steht auf nicht sonderlich hochgewachsene Männer.»
Jetzt wurde es Paul doch ein bisschen unruhig. «Der schreibt sich Sachen auf?», wiederholte er, ausnahmsweise ohne auf die Frechheit einzugehen, und wollte sich endlich umdrehen.
«Nicht. Das macht man nicht», sagte Sophie. Paul fing an zu zappeln, woraufhin Sophie Müllers Lächeln gefror.
«Du bist doch kein Krimineller, oder, Paul?», fragte sie und griff schon nach ihrem Mantel.
«Nein», sagte Paul eilig und hielt ihren Arm fest. Ihr erster Körperkontakt. Na ja.
«Das ist anders», erklärte er wenig aussagekräftig.
«Wie, anders?»
«Ich bin nicht kriminell, aber der Typ da vielleicht.»
«Was heißt das?»
«Kann ich jetzt nicht erklären, aber ich hab noch einen Nebenjob. Ich bin nicht nur Call-Center-Agent», plusterte Paul sich ein wenig auf und wusste nicht, ob das jetzt so richtig war.
«Was denn?», fragte Sophie Müller, immer noch mit der Hand am Mantel.
«Ich», seufzte er, «bin so eine Art Detektiv. Oder Enthüllungsjournalist. So wie Dustin Hoffman und Robert Redford damals», sagte er und fand sich selbst lächerlich dabei.
Sophie Müller ließ den Mantel los und lachte aus vollem Herzen. Als sie allerdings bemerkte, dass Paul keine Miene verzog, hörte sie abrupt wieder damit auf.
«Ach, Quatsch», sagte sie.
«Doch», sagte er. «Ist ein bisschen kompliziert. Kann aber echt sein, dass der Typ mich verfolgt.»
«Fragen wir ihn halt», sagte sie und erhob sich. Paul riss die Augen auf; sein Entsetzen hätte nicht größer sein können, wenn sich Sophie Müller in diesem Augenblick als Transvestit entpuppt hätte.
«Bist du verrückt, bleib hier!», zischte er und zog an ihrem Arm.
Sophie aber lachte nur. «Nee, ich will das wissen. Was soll denn da passieren? Hier, in einem vollbesetzten Restaurant?»
Damit ging sie strammen Schrittes an Paul vorbei. Die Gelegenheit für ihn, sich endlich auch einmal umzudrehen. Wenn er erwartet hatte, an dem kleinen Tisch in der Nähe des Eingangs irgendeinen Mafioso sitzen zu sehen, lag er daneben. Der Mann, mit dem Sophie Müller sich jetzt unterhielt, war etwa Mitte vierzig und sah mit seiner Nickelbrille, dem Seitenscheitel und den Ärmelschonern aus wie ein Beamter, der sich seit über zwanzig Jahren durch unzählige Aktenberge gewühlt hatte und darüber ein wenig angestaubt war. Ein Bulle, dachte Paul. Der war mit Sicherheit von Bernauer abgestellt worden, ihn zu beobachten. Ihm auf Schritt und Tritt zu folgen. Na, super.
Sophie setzte sich zu dem Mann und hörte ihm aufmerksam zu. Das ging eine ganze Weile so; die brünette Kellnerin kam und fragte Paul, ob er jetzt einen Nachtisch bestellen wolle. «Wohl wahnsinnig geworden, was?», knurrte Paul. «Die Rechnung!»
Die Kellnerin bedankte sich freundlich und zog ab. Irgendwann, eine gefühlte Ewigkeit später, stand Sophie endlich wieder auf, gab dem Mann die Hand und kam zu ihm zurück. Mit überaus ernstem Gesicht.
«Ich weiß Bescheid», sagte sie und setzte sich wieder.
«Wie, du weißt Bescheid?», erregte sich Paul. «Der darf dir doch überhaupt nichts sagen, der ist doch von der Polizei, wieso weißt du denn da Bescheid, der darf dir doch
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