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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Born
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wüsste so gerne, was genau Sie an der Universität machen? Ihre Mutter erzählt ja kaum etwas«, Ortrud lächelte kokett. Sie war sich durchaus bewusst, dass ihre Frage wie eine Stichelei gegen Gisela aufgefasst werden musste.
    Andreas schluckte den Kuchen herunter: »Entschuldigen Sie, meine Damen. Ich würde nichts lieber tun, als mit Ihnen zu plaudern. Aber ich muss eine überaus wichtige Angelegenheit mit meiner Mutter besprechen. Ich hoffe auf Ihre Nachsicht …«
    Er schaute seine Mutter eindringlich an. Es musste Jahre her sein, dass er sie zum letzten Mal so angesehen hatte.
    Â»Es geht um eine Sache, meine wissenschaftlichen Recherchenbetreffend«, sprach er weiter. »Eine Sache, die keinen Aufschub duldet: ›Aufschub einer guten Tat hat schon oft gereut! Hurtig leben ist mein Rat! Flüchtig ist die Zeit.‹«
    Renate stieß einen spitzen Schrei aus. »Das ist vom Philosophischen Gärtner, nicht wahr?«, jubilierte sie.
    Â»Gleim, meine Verehrteste. Johann Wilhelm Ludwig Gleim.« Andreas lächelte gewinnend, als habe Renate nur knapp danebengelegen, und stopfte sich ein weiteres Stück Nusskuchen in den Mund. »Aber soviel ich weiß, hat der Philosophische Gärtner es auch mal zitiert.«
    Giselas Stolz auf ihren Sohn mischte sich mit einer altbekannten Scham. Sein aufgesetztes, beinahe verwahrlostes Auftreten erinnerte sie an den Zusammenbruch während seiner Schulzeit. Verständnis beteuernd, als wäre Wielands Anliegen für Frauen wie sie nicht weiter verwunderlich, verließen die Zirkel-Mitglieder das Haus. Gisela schloss die Tür hinter ihnen, und Andreas zog sie mit sich ins Wohnzimmer.
    Â»Iss doch noch ein Stück Kuchen«, sagte sie etwas gereizt und hielt ihm den Teller hin. Er griff zu, ohne zu merken, wie angespannt sie war.
    Â»Mir ist etwas passiert, Mama«, sagte er mit vollem Mund. »Ich habe Dinge herausbekommen über Peter Vahlen und seine Familie. Du weißt, das ist der, der die Vorlage für Villa Westerwald geschrieben hat. Ich habe ein Manuskript in seinem Nachlass gefunden. Und jetzt ist die Witwe hinter mir her, und ich befürchte das Schlimmste. Sie hat vielleicht ihren Mann auf dem Gewissen, und mir hat sie auch gedroht.«
    Er drückte sich an ihr vorbei und lief zurück in den Flur, wo er durch die kleine Luke in der Haustür den Frauen hinterherschaute, bis sie nicht mehr zu sehen waren. »Du musst ihnen sagen, ich sei sofort wieder gefahren. Das ist wichtig, hörst du?«
    Â»Um Liebeswillen«, sagte sie. »Was hast du denn bloß gemacht?«
    Â»Nichts habe ich gemacht. Die Witwe verlangt, dass ich ihr das Manuskript zurückgebe. Es ist sehr wertvoll und alle möglichenLeute wollen es haben. Aber Judith, die Tochter, hat es mir persönlich zur Bearbeitung anvertraut.«
    Â»Aber wenn es dir doch nicht gehört, Andreas.«
    Â»Ich sage doch, Mama, ohne mich wüsste niemand, dass es überhaupt existiert. Wem gehört Mozarts Kleine Nachtmusik? Dir? Mir? Den Mozarts? Den Plattenfirmen? Den Herstellern der Mozartkugeln? Oder gar dem österreichischen Staat?« Er redete immer schneller. »Es ist ein großer, glücklicher Zufall, dass ich das Manuskript gefunden habe. Verstehst du?«
    Andreas spuckte beim Sprechen. Er machte Gisela Angst. »Du musst es zurückgeben«, sagte sie unsicher.
    Â»Wem denn? Der Witwe, die Vahlen umgebracht hat? Seiner Heimatstadt, die sein Andenken nicht pflegt? Der Tochter, die sich damit ohne nachzudenken ins Unglück stürzt? Wenn überhaupt, dann gehört Vahlens Werk doch den Lesern, den Unzähligen, die seine Bücher lieben!«
    Â»Da magst du recht haben, Andreas, das ist ein schöner Gedanke, aber …«
    Â»Jetzt ist ohnehin alles vorbei. Judith hat mich verlassen. Das Manuskript habe ich auch nicht mehr. Überall habe ich es gesucht. Womöglich wurde es mir gestohlen. Die Polizei wird sich der Sache annehmen. Aber du darfst niemandem etwas sagen. Niemand darf wissen, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt.«
    Gisela hätte ihren Sohn jetzt gerne festgehalten, um ihn zu beruhigen. Er war also schon wieder von einer Frau verlassen worden. Erst neulich hatte sie überhört, wie zwei ihrer Nachbarinnen sich auf der Straße darüber unterhielten, dass Andreas »ja auch immer noch keine Kinder« habe. Gisela hatte es oft gesagt. Vielleicht zu oft: Verlassen kann

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