Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
Herzarterien, die die Hauptursache für einen Herzinfarkt darstellt.
Seit etwa 1950 ist die Zahl der tödlich verlaufenden Herz- und Krebserkrankungen in den modernen Zivilisationsgesellschaften deutlich gestiegen. Sie lösten schon bald Infektionserkrankungen wie zum BeispielTuberkulose als häufigsteTodesursache ab. Das bedeutet auch, dass sich das Krankheitsspektrum in den Krankenhäusern von Grund auf änderte.Waren es Anfang des 20.Jahrhunderts noch Infektionserkrankungen wie Lungenentzündung, Durchfallerkrankungen oder Diphtherie, so mussten sich die Ärzte nun immer häufiger mit Herzinfarkten, Schlaganfällen, Krebserkrankungen und Spätfolgen von Diabetes auseinandersetzen.
Kanalisation, bessereWasser- und Nahrungshygiene, aber auch die großen Erfolge der modernen Medizin wie die Infektionsbehandlung und Fortschritte in den Operationstechniken führten dazu, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in modernen Zivilisationen stark anstieg; heute liegt sie bei fast 80Jahren. Der Schluss liegt nahe, dass die Zunahme an den oben genannten Zivilisationserkrankungen mit dem Anstieg der Lebenserwartung in einem logischen Zusammenhang steht. Früher sind Menschen mit 10Jahren an Diphtherie, mit 20 am Kindbettfieber, mit 30 an einem geplatzten Blinddarm und mit 50 anTuberkulose gestorben. Heute dagegen werden wir so alt, dass die meisten von uns an Herzkrankheiten oder Krebs sterben. Die Zunahme an Zivilisationserkrankungen kann man also durchaus als direkte Folge eines immer höheren Lebensalters in modernen Zivilisationen ansehen. Damit sind Zivilisationskrankheiten Alterserkrankungen und Gesellschaften mit der höchsten Sterberate aufgrund von Herzkrankheiten oder Krebs auch immer jene Gesellschaften, in denen die Menschen am längsten leben. Unseren Kindern prophezeit man eine katastrophale gesundheitliche Zukunft, auch wenn sie wahrscheinlich eine noch höhere Lebenserwartung haben werden als wir heute. Lebensversicherungen kalkulieren mit einem gewissen Sicherheitspuffer bei einer Police für ein kleines Mädchen ein zu erwartendes Lebensalter von 100Jahren.Wahrscheinlich werden viele von ihnen ein sehr hohes Alter auch deshalb erreichen, weil sie eine neue Herzklappe bekommen oder sinnvolle Medikamente einnehmen. Die allermeisten davon allerdings erst ab einem Alter von 60 oder 70Jahren. Also in einem Alter, in dem unsere Großeltern meist schon gestorben waren.
Dieser Zusammenhang hätte von vornherein stutzig machen sollen, und doch ignoriert man ihn bis heute. Anstatt zunächst dankbar zu sein für diese Entwicklung, stilisiert man Alterserkrankungen zur Bestrafung für unsere angeblich ungesunde westliche Lebensweise, die man mit allen Mitteln schon im Kindergarten bekämpfen muss. Koste es, was es wolle.Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe viele Menschen an Krebs sterben sehen, darunter auch Kinder oder 60-Jährige, die viel zu früh gehen mussten und gerne noch viele Jahre mit ihren Enkeln gespielt hätten. Und ich habe dabei die fürchterliche Hilflosigkeit als Arzt erlebt. Es ist eine der ganz besonderen Herausforderungen der modernen Medizin, diese wenigen frühen Fälle rechtzeitig zu erkennen und alles zu tun, damit diese Patienten nicht zu früh sterben. Aber die allermeisten Menschen bekommen Krebs und Herzinfarkt jenseits der 70, und da sollte man die Panik, die schon in Kindergarten und Schule verbreitet wird, zumindest infrage stellen.
Dennoch macht es selbstverständlich Sinn, wirksameTherapien gegen diese Zivilisationserkrankungen (eigentlich Alterserkrankungen) zu entwickeln, um nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Lebensqualität im Alter weiter zu verbessern. Doch die großen Durchbrüche in der modernen Medizin liegen zumeist Jahrzehnte zurück und waren immer darauf gegründet, dass es zunächst gelang, die Ursachen einer Erkrankung zu finden, wie eben die Entdeckung von Bakterien als Krankheitserreger es möglich machte, Antibiotika zu entwickeln. Die tatsächlichen Ursachen der großen Zivilisationserkrankungen sind bis heute unbekannt. Institutionen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg mühen sich seit Jahrzehnten, der Ursache von Krebs auf die Spur zu kommen. Man hatvieles entdeckt und weiterentwickelt: Sonografie, Kernspintomografie, Zusammenhänge auf molekularbiologischer Ebene, bei bestimmten Erkrankungen sogar mit Heilerfolgen wie bei Lymphkrebs oder Leukämie. Leider aber konnte die eine Ursache nicht gefunden werden, auf deren
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