Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
in den Plaques nachgewiesen wurde, glaubten die Framingham-Forscher an die Hypothese, dass die Höhe des Cholesterinspiegels ein wichtiger Risikofaktor ist für die Entstehung der koronaren Herzkrankheit. Und genau diese Hypothese behaupteten sie bewiesen zu haben und etablierten seit 1961 den Risikofaktor Cholesterin in der Medizinwelt. Und weil Cholesterin auch ein Begleitstoff von Fett, besonders von tierischem Fett, ist, erklärte man in den USA aufgrund der bereits vorgestellten fragwürdigen Studien von Ancel Keys denVerzehr von Fett, besonders von tierischem Fett, ebenfalls gleich zum Risikofaktor. Nun fehlte nur noch die nie nachgewiesene Behauptung, dass fettreduzierte Ernährung langfristig den Cholesterinspiegel senkt, und die Kampagne war perfekt, sehr zur Freude allen voran der Margarineindustrie. Seitdem kämpft Amerika gegen das Fett in der Nahrung, und das mit Erfolg. Versuchen Sie einmal, in den USA etwas normal Fetthaltiges im Supermarkt zu kaufen– keine Chance. Auch Fastfood wird fettarm hergestellt, denn sonst würden die großen Hersteller sofort öffentlich gebrandmarkt.
Seitdem besteht die wichtigste ärztliche Handlung in der Messung des Cholesterinspiegels. Jeder Patient fühlt sich schlecht untersucht ohne Bestimmung diesesWertes. Milliarden von Messungen und Medikamentenverschreibungen wurden durchgeführt. Und natürlich wurde diese Kampagne in den anderen westlichen Ländern willig fortgeführt. Es bildeten sich einträchtige Allianzen zwischen Margarineproduzenten, Ärzteverbänden, Pharmaherstellern, Krankenkassen, Herzstiftungen, Apothekerinitiativen, Herstellern von Cholesterinmessgeräten, die zusammen mit der Politik dann regelmäßig teure, bunte » Gesundheitsinitiativen « auf uns loslassen, um uns vor den » Gefahren des Herztodes zu retten « . Keine andere Kampagne, die Gesundheit meint, aber auf den Geldbeutel zielt, war so erfolgreich wie der Kampf gegen das Cholesterin. Keine Kampagne hatte so große wirtschaftliche Konsequenzen. Zum einen durch die Ankurbelung desVerkaufs pflanzlicher Fette, allen voran der Margarine, zum anderen durch denVerkauf von cholesterinsenkenden Medikamenten, die auch heute noch zu den weltweit am häufigsten verordneten und umsatzstärksten Arzneimitteln überhaupt zählen.
Doch was sagt die Framingham-Studie überhaupt zumThema Cholesterin? Ganz im Gegensatz zu der kompromisslos durchgezogenen Antifettkampagne hält Immich die ihr zugrunde liegende Studie besonders in diesem Punkt für äußerst inkonsequent. So unterliegen dieTeilnehmerzahlen mysteriösen Schwankungen. Bei etwa 40Prozent fehlen jegliche Angaben zum Cholesterinwert. Hat man sie vergessen, waren die Proben untauglich, hat das Ergebnis nicht gepasst?Wir wissen es nicht. Es werden Ergebnisse für die gesamteTeilnehmerschaft publiziert, und dabei wird verschwiegen, dass es sich nur um die Ergebnisse für Männer handelt.Vermutlich eine bewussteTäuschung. Denn in den Originaldaten lassen sich nur bei Männern, die eine koronare Herzkrankheit entwickelten, imVergleich zu denen, die keine entwickelten, marginal höhere Cholesterinspiegel nachweisen. Herbert Immich schaute sich dann die Ergebnisse für Frauen an und stellte fest, dass bei ihnen keinerlei Unterschiede in der Cholesterinverteilung gemessen wurden. Gesunde und erkrankte Frauen hatten also den gleichen Cholesterinwert. Dies ist wohl auch der Grund dafür, dass die Framingham-Forscher die Zahlen für die Frauen bei ihrerArgumentation einfach weggelassen haben.
Anhand der Originaldaten lässt sich laut Herbert Immich zudem nachweisen, dass die Forscher die Alters- und Cholesterinwerte ihrerTeilnehmer durch immer wieder neue Gruppenbildung so lange umverteilten, bis sie ihren Scheinzusammenhang von Cholesterin und koronarer Herzkrankheit » bewiesen « hatten. Dabei ist der einzige Schluss, den die Daten mit Sicherheit zulassen, dieAussage, dass der Cholesterinspiegel mit höherem Alter steigt. Genauso wie man dann graue Haare bekommt. Mit der gleichen statistischen Gewissheit, die der Empfehlung zur Cholesterinsenkung zugrunde liegt, könnte man also auch empfehlen, graue Haare zu färben, um einem Herzinfarkt vorzubeugen.
Doch anstatt diese Fehler zum Anlass zu nehmen, die Cholesterinhypothese noch einmal genauer zu überprüfen, unternahm man in den folgenden Jahrzehnten das genaue Gegenteil. Man senkte ohne medizinische Begründung die Cholesterinnormwerte fortlaufend und machte so Millionen Gesunde zu neuen
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