Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
die fleischverzehrende Kontrollgruppe. Die Pressemitteilung des DKFZ lautete dazu: » Vegetarierstudie: Ein bisschen Fleisch schadet nicht, wenn man sonst gesund lebt. « Wohlgemerkt, wir reden vom Umgang mit wissenschaftlichen Daten am renommiertesten Krebsinstitut Deutschlands.
Sogar wenn eine an sich tadellose systematische Übersichtsarbeit vorliegt, die alle Regeln des Studien- TÜV einhält, haben die Autoren Probleme, in der Überschrift und der Zusammenfassung die ganzeWahrheit zu benennen, wenn sie den gängigenThesen widerspricht. Sehen wir uns den bereits erwähnten systematischen Review zumThema Fett und Gesundheit etwas näher an. Er verrät viel über diese seltsamen Praktiken in der medizinischenWissenschaftswelt.
Im Jahre 2001 veröffentlichten britische Forscher im British Medical Journal eine riesige Übersichtsarbeit zumThema Fett und Herzerkrankung. Sie werteten 16 821Studien aus und übernahmen für die Gesamtbewertung nur 27, weil nur diese Champions-League-Charakter aufwiesen. Die anderen 16 794Studien waren in ihrer statistischen Aussagekraft zu schwach, nicht prospektiv, nur beobachtend, hatten keine Kontrollgruppen oder anderweitige Mängel. Das allein erstaunt angesichts der weltweitenVerbreitung der Empfehlung zu fettarmer Ernährung. Die Autoren der Übersichtsarbeit schreiben in der Zusammenfassung, dass diese 27Studien einen geringen, aber wichtigen Zusammenhang von Fettverzehr und der Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigen würden. Liest man alle 6 Seiten der Publikation, was selten gemacht wird, entdeckt man, dass nur eine einzige dieser 27Studien einen Zusammenhang zwischen Fettverzehr und Herzkrankheit gezeigt hat. Und zwar eine Studie aus den 1960er Jahren. Die anderen 26 zeigten keinen Zusammenhang beziehungsweise sogar in derTendenz Nachteile durch Fettreduktion.
Machen wir nun etwas, was nun wirklich kaum jemand tut. Suchen wir die Studie in der Studie und schauen uns diese genauer an. Dank Internet heute kein Problem. Es handelt sich um die »Oslo Diet-Heart Study«. 2 Gruppen mit je 206Teilnehmern wurden damals beobachtet, die eine Gruppe blieb beimVerzehr von Eiern, Rind- und Schweinefleisch, die andere sollte auf Fisch umstellen und zusätzlich einen halben Liter Sojaöl proWoche trinken. Nach 11Jahren zeigte sich folgende Entwicklung: DasVerhältnis derTodesfälle war 94 zu 79Herztode. Das bedeutet, dass nach 11Jahren das absolute Risiko in der Ei- / Rindfleischgruppe, an einer Herzgefäßerkrankung zu sterben, 6Prozent höher war als in der Fisch- / Sojagruppe. Das ist nicht wenig.Wenn man 6Prozent auf 1Million Menschen hochrechnet, kommt man auf 60 000Neuerkrankte. Aber die Arbeit stammt aus den 60er Jahren. DerVersuchsaufbau ist eher seltsam.Wer würde heute Sojaöl empfehlen! Damals musste nicht angegeben werden, wer die Studie finanziert hat. Und außerdem haben die Autoren der Übersichtsarbeit übersehen, dass die »Oslo Diet-Heart Study« nicht den Gesamtfettverzehr prüft, sondern nur verschiedene Arten von Fett, nämlich Fett von Rind und Schwein imVergleich zu Fett von Fisch und Gemüseöl. Das ist alles.
Es ist kaum vorstellbar, dass diese eine Studie die wissenschaftliche Basis sein soll für die heute im Allgemeingut verankerte Empfehlung, fettarm zu essen, um Herzkrankheiten vorzubeugen. Die Autoren schreiben: » Es besteht eine kleine, aber möglicherweise wichtige Reduktion von Herzrisiken durch eine Reduktion oder Veränderung des Fettverzehrs. « Das halte ich nicht nur für komplett irreführend, sondern auch für feige.Wenn von 16 821Studien nur 0,16Prozent einen Qualitäts- TÜV bestehen, von den übrigen 27Studien 26 keinen Zusammenhang bestätigen und die verbleibende eineStudie gar nicht die Fettreduktion misst, sondern nur verschiedene Fettarten auf fragwürdige Weise miteinander vergleicht, dann wäre die korrekte Zusammenfassung folgende: Nach ausführlicher Analyse aller weltweit verfügbaren Studien stellen wir fest, dass kein Zusammenhang nachweisbar ist, der auf eine Gesundheitsgefährdung durch Fettverzehr hinweist. Doch womöglich wäre die aufwendige Übersichtsarbeit dann vom British Medical Journal abgelehnt worden.
Subjektive Datenauswahl
Aus den gleichen Gründen werden oft Messergebnisse, die den gewünschten Ergebnissen widersprechen, erst gar nicht in der Studie berücksichtigt. Dann hat selbst ein aufmerksamer Leser einer Studie keine Chance mehr, dieTäuschung zu erkennen. 2004 wollte eine dänische Forschergruppe um
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