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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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Erkenntnis sich dann endlich umfassend wirkungsvollere Krebstherapien entwickeln ließen. Offensichtlich war es leichter, die Ursache vonTuberkulose unter dem Mikroskop zu entdecken, als die Ursache von Krebs in den Genen zu finden.
    Mit umfassenden epidemiologischen Studien unterTeilnahme großer Bevölkerungsgruppen und mit einer riesigen Datenmenge versucht man deshalb, die Krankheitsverteilung mit Faktoren wie Lebensstil, Beruf oder sozialem Umfeld in einen Zusammenhang zu setzen und vor allem jene Faktoren zu identifizieren, die ein besonderes Risiko für die Entwicklung von Zivilisationskrankheiten darstellen.
    Auf dieser Basis entwickelte die Epidemiologie schon vor 60Jahren das Konzept der Risikofaktoren, verbunden mit der Aussage, dass Zivilisationserkrankungen deshalb in unserer Gesellschaft so gehäuft auftreten, weil wir diese Risikofaktoren nicht vermeiden. Die Geißel der Zivilisationserkrankungen als Strafe für unseren ungesunden Lebensstil. Klingt nach Mittelalter– ist es auch. Messbar seien die Risikofaktoren anhand von Normwerten und vermeidbar durch einen gesünderen Lebensstil verbunden mitTabletteneinnahme, um wieder auf Normwertniveau zu kommen.
    Seitdem nehmen Risikofaktoren einen immer größer werdenden Raum in unserem Leben ein: zu viel Fett, zu viel Zucker, zu viel Salz, zu wenig Bewegung, zu viel Sonne, zu viel Alkohol, zu wenig Omega-3-Fettsäuren, zu wenig ungesättigte Fettsäuren, zu vielTrans-Fettsäuren, zu dick, zu faul, zu viel Junkfood, zu hoher Cholesterinspiegel, erhöhter Blutdruck und zu hohe Nüchternzuckerwerte– alles Faktoren, die laut Epidemiologie unserer Gesundheit schaden und die man mit einem gesünderen Lebensstil vermeiden kann. Doch woher bezieht die Epidemiologie ihre angeblich stichfesten Erkenntnisse, die unser Leben so nachhaltig prägen?
    Stellen wir uns dazu nicht Kleinneuburg aus unserer Fußpilzstudie vor, sondern eine typische amerikanische Kleinstadt. Sie liegt an der Ostküste, hat eine Kirche, eineTownhall, schmuckeVorgärten und typisch amerikanische Middleclass-Einwohner.Wir schreiben das Jahr 1948.
    Framingham: Die Mutter aller Studien
    Ende der 1940er Jahre wollte der United States Public Health Service, eine Behörde im US -amerikanischen Gesundheitswesen, erforschen, welche Faktoren die Entwicklung der koronaren Herzkrankheit fördern und wie man dies frühzeitig erkennen kann. Dazu wurde eine große Beobachtungsstudie in Auftrag gegeben, finanziert von der amerikanischen Regierung. Man suchte eine möglichst typische Stadt mit möglichst typischen Bürgern aus und kam auf das Städtchen Framingham mit 30 000Einwohnern, das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Harvard-Universität in Boston liegt.4 Ärzte begannen 1948 damit, aus den 30- bis 62-jährigenTeilnehmern der Framingham-Studie eine Stichprobe zu ziehen, wobei diejenigen mit koronarer Herzkrankheit ausgeschlossen wurden. Man wollte ja schließlich erforschen, welche Faktoren bei Gesunden die Erkrankung auslösen. 1950hatte man auf diesemWeg 4393Mitmachwillige aus der Stichprobe rekrutiert. Zusätzlich kamen noch 734Freiwillige dazu. So wurde die Studie mit diesen 5127Teilnehmern gestartet.
    JedemTeilnehmer wurden zunächst folgende Fragen gestellt:
Erkrankungen in der Familie und eigene Erkrankungen.
Gewohnheiten in Bezug auf Schlaf, Essen,Trinken, Bewegung, Rauchen, Medikamente.
    Folgende Untersuchungen wurden durchgeführt:
Messung von Größe, Gewicht, Brustumfang, Blutwerte wie zum Beispiel Cholesterin, Blutzucker, Röntgenbild des Brustraumes, EKG und Lungenfunktion.
Der Blutdruck wird zweimal gemessen, und zwar vor Beginn der Untersuchung vom Arzt und nach der Untersuchung von einer Krankenschwester.
    In den Jahren 1956, 1958 und 1960 wurden Zwischenberichte veröffentlicht, denn der amerikanische Kongress wollte schließlich wissen, wofür er sein Geld ausgegeben hatte.
    Nach der Datenerhebung begann die Zeit der Auswertung, das heißt, die Ergebnisse wurden interpretiert und in medizinischen Fachmagazinen publiziert. Ab 1960 rollte dann die Publikationswelle der Framingham-Forscher über diemedizinische Welt, mehr als 1000 Artikel wurden veröffentlicht, und die Ergebnisse wurden bis heute unzählige Male zitiert.
    Die Framingham-Forscher behaupteten, Folgendes bewiesen zu haben:
Bestimmte Risikofaktoren treten bei Menschen, die eine koronare Herzkrankheit entwickeln, häufiger auf als bei jenen, die von dieser Erkrankung verschont bleiben.
Diese Risikofaktoren werden vorwiegend

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