Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
uns einmal an, was die Autoren zumThema Fett und Gewicht zu sagen haben. Dazu lesen wir auf Seite 41: » Nach einer hypokalorischen Kost von ca. 500kcal / Tag erwies sich aber eine fettarme, kohlenhydratreiche Ernährung hinsichtlich Gewichtsstabilisierung und Langzeitergebnissen einer energiedefinierten Mischkost von ca. 1800kcal / Tag überlegen, sodass ein solches Ernährungsregime besonders für die Stabilisierung des Körpergewichtes und nach Gewichtssenkung zu empfehlen ist (Toubro et al., 1997, Evidenzklasse Ib, Empfehlungsgrad A).«
Begründet wird diese Aussage durch die Studie eines Wissenschaftlers namens Toubro. Besonders diejenigen Empfehlungen in solchen Leitlinien, denen 1er-Klassen und A-Grade verliehen werden, müssen genau geprüft werden, gelten sie doch als » gesichert « . Schauen wir uns die Studie einmal genauer an. Die Untersuchung begann mit 43übergewichtigenTeilnehmern. Diese machten eine mehrwöchige Diät. Diese Diät beendeten 37Teilnehmer. Nach dieser Diät wurden die verbliebenen 37nun in 2 unterschiedliche Ernährungsgruppen eingeteilt, in eine, die fettarme kohlehydratreiche Lebensmittel zu sich nahm (wenig Butter, viel Spaghetti), und eine Gruppe, die dies nicht praktizierte.
Die Gruppe mit der fettarmen Ernährung zeigte im Gegensatz zu der anderen Gruppe in den 6Monaten nach der ursprünglichen Diät sogar eine weitere Gewichtsabnahme. Dies ist für mich ein Indiz dafür, dass diese Gruppe letztlich eine verlängerte Diät machte und nicht eine als Dauerernährung geeignete Kostform gefunden hatte. Jeder, der schon einmal eine Diät gemacht hat, weiß, dass ein solches Essverhalten zwar eineWeile funktionieren kann, aber eben nur eineWeile. So folgte ein weiteres Jahr später dann auch in der fettarmen Ernährungsgruppe der Jo-Jo-Effekt, nur eben zeitversetzt. Nach diesem Jahr wurden aus den verbliebenen 37 dann 28Teilnehmer ausgewählt, die weiter beobachtet wurden.Wieso die anderen 9nicht berücksichtigt wurden, wird nicht erläutert.Weil ihre Daten dennoch anhand ihrer letzten Messung hochgerechnet wurden, blieben sie sozusagen virtuell in der Studie.
Das Ergebnis nach weiteren 2Jahren: Alle verbliebenen 28Teilnehmer hatten wieder an Gewicht zugelegt.Wenn in den Leitlinien von einer Gewichtsstabilisierung durch fettarme Ernährung gesprochen wird, so halte ich das für Irreführung. Bei den 13verbliebenenTeilnehmern in der entsprechenden Gruppe setzte der Jo-Jo-Effekt lediglich zeitlich verzögert ein. Und so muss man festhalten, dass die Bewertung der Studie aus meiner Sicht 2 Kriterien nicht erfüllt. Zum einen, weil die Studie für ihre Aussage Grad A in Anspruch nimmt, jedoch, wenn man genau hinschaut, nicht Gewichtsstabilisierung durch fettarme Ernährung belegt, sondern lediglich eineVerzögerung des Jo-Jo-Effekts. Zum anderen schreiben die Regeln für dieVergabe der Qualitätsklasse 1b » wenigstens einen ausreichend großen, methodisch hochwertigen RCT « ( Randomized Controlled Trial s : hochwertige Studien auf Champions-League-Niveau) vor.Wenn bei einer solch komplexen Fragestellung wie der einer Gewichtsstabilisierung nach einer Diät die Gesamtstudie nur 43Teilnehmer erfasst, von denen am Ende der Studie nur 28übrig bleiben, dann kann man diese Studie nicht als hochwertig bezeichnen. Auch dieVergabe von 1b ist somit für mich nicht gerechtfertigt.
Von der Leitlinie in unser Leben
Nun hört sich das für Sie vielleicht wie ein typischer Expertenstreit an, doch diese Leitlinien reichen in ihrerWirkung bis auf Ihren Frühstückstisch, in Ihr Betriebsrestaurant oder die Kindergartenküche. Regierungsprogramme und Krankenkassenschulungen bauen auf den Empfehlungen auf, die die Autoren dieser Leitlinie geben. Und das in demVertrauen, dass bei ihrem Zustandekommen wissenschaftlich korrekt gearbeitet wurde. Dass kein Zusammenhang zwischen fettarmer Ernährung und Gesundheit besteht und es somit aus gesundheitlicher Sicht keinen Sinn macht, sich fettarm zu ernähren, haben wir bereits gesehen. Doch die meisten Menschen achten auf eine fettarme Ernährung, weil sie angeblich hilft abzunehmen. Sie greifen im Laden zum fettarmen Joghurt, obwohl ihnen der fetthaltige besser schmeckt. Und das wiederum in demVertrauen, dass dies gut für ihre Linie ist.Was halten Sie davon, nachdem Sie gesehen haben, dass die einzige belastbare Begründung für eine fettarme Ernährung zur Stabilisierung einer dauerhaften Gewichtsreduktion eine einzelne Studie sein soll, mit 43Teilnehmern,
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