Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
von denen nach 2Jahren noch 28übrig sind, und die die getroffene Aussage gar nicht stützt?Würden Sie auf dieser Grundlage Ihr Essverhalten ändern, obwohl es Ihnen dann schlechter schmeckt? Die Leitlinienautoren sind der Meinung, dass Sie das tun sollten. Ich hingegen würde empfehlen, sich die Butter bloß nicht vom Brot nehmen zu lassen. Sie hat langfristig gar nichts mit Ihrem Gewicht zu tun und mit Ihrer Gesundheit schon gar nicht.
Am Beispiel von Prof. Dr. med. Berthold Koletzko vom Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München, einem der Autoren der besprochenen Adipositas-Leitlinie, zeige ich Ihnen nun, was passiert, wenn man Leitlinienautoren auf solche Unstimmigkeiten anspricht. Die Autoren solcher Leitlinien gelten als die führenden Experten ihres Fachs und werden für Krankenkassen- oder Regierungsprogramme als Berater und Entwickler beschäftigt. So entwickelte Berthold Koletzko für die AOK das Powerkids-Programm, ein Abspeckprogramm für Kinder.Auf der Homepage www.powerkids.de findet man eine Reihe von Empfehlungen, deren schädlicheWirkung durch Studien guter Qualität seit Langem belegt ist. Es ist längst bekannt, dass Kinder, denen man Esskontrolle beibringt und einredet, sie müssten abnehmen, gerade dadurch eher noch dicker werden und später zu Essstörungen neigen. Kinder, die an solchen Programmen teilgenommen haben, leiden häufiger unter Depressionen als vergleichbare Kinder, die dies nicht taten. Trotzdem lernen Powerkids-Kinder weiterhin, dass Fett dick macht, und bekommen in einem Punktesystem » Winnies « , wenn sie fettarme Produkte wählen.Wenn sie etwas falsch machen, gibt es » Schlaffies « . Angesprochen werden die Kinder direkt, und zwar so: » PowerKids ist besonders für Kids, die ein bisschen schlanker werden möchten. Für Kids, die ein paar Pfunde mit sich herumschleppen, die sie gerne loswerden wollen. « Das ständigeThematisieren von Abnehmvorgaben führt dazu, dass Kinder schon mit 10Jahren von selbst anfangen, eine Diät zu machen, weil sie sich zu dick fühlen, selbst wenn sie ein durchschnittliches Gewicht haben. Aus meiner Sicht kann der Erfolg solcher Programme nicht an kurzfristigen Effekten gemessen werden. Erst wenn die gesunden, körpereigenen Gegenregulationen einsetzen, kann man sehen, was man angerichtet hat. Dies alles war sogar im Deutschen Ärzteblatt zu lesen. Ich hätte mich gerne eines Besseren belehren lassen, nicht zuletzt weil ich einige mollige Kinder als Patienten habe, die gemobbt werden, sodass ich ungefährliche und erfolgreiche Langzeitabnehmstrategien durchaus mit den Eltern besprechen würde.
Aus diesem Grund habe ich die AOK in einem offenen Brief gebeten, das Programm zu überprüfen und sich bei der statistischen Auswertung von Experten beraten zu lassen. Aufgrund der von mir genannten Studien wäre es nämlich gut möglich, dass das Programm eingestellt werden muss, um Schaden von Kindern fernzuhalten. Die Krankenkassen haben sogar Abteilungen mit solchen Experten, die mir bereits berichtet hatten, dass die Krankenkassenvorstände bei ihren eigenen Gesundheitsprogrammen genauso wirklichkeitsfremd agieren würden, wie sie das zuweilen Ärzten vorwerfen. Seine schönen bunten Abnehmprogramme als Marketinginstrument will man sich nicht von den eigenen Statistikexperten infrage stellen lassen. Stattdessen verwies mich die AOK an Berthold Koletzko, der neben der Entwicklung auch den Auftrag hatte, das Ergebnis zu überprüfen. Auch nach hartnäckigem Nachfragen hat Berthold Koletzko keine einzigeVeröffentlichung vorgelegt, anhand deren man die erhobenen Messdaten der Überprüfung der Powerkids-Programme einsehen konnte. Alle Fragen, die man zur Überprüfung seriöserweise stellen muss, etwa nachVergleichsgruppen oder Messdaten, blieben für mich unbeantwortet. Mit keinemWort ging er auf Argumente ein, die ich durch hochwertige Studien begründete.
In der Zeitschrift Kinderärztliche Praxis schrieb er 2002, man habe bei Powerkids-Kindern nach 15Monaten eine Abnahme des Body Mass Index ( BMI ) gemessen. In einer ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung werden solche Messergebnisse in einer anerkannten wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht. Genau ein solcher wissenschaftlicher Zeitschriftenartikel zur Powerkids-Bewertung war sogar als Quelle angegeben. Also suchte ich imVerbund der Universitätsbibliotheken nach Zeitschrift und Artikel, heute sehr einfach per Internet machbar, nur wurde ich in
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