Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
wiederherzustellen.
Die daraus abgeleiteteWeltanschauung, die sich inzwischen zur folgenden, wirklichkeitsfremden Ideologie entwickelt hat, lautet: Prävention verhindert Zivilisationserkrankungen.
Framingham hat hier den Pflock eingeschlagen und als erste epidemiologische Studie mit allen Mitteln moderner Propaganda diese Glaubenssätze alsWeltanschauung etabliert.Von Anfang an mit unwissenschaftlichen Mitteln. Inzwischen gibt es zahllose Studien, die statistisch besser aufgebaut sind als Framingham, sogar die Framingham-Studie selbst liegt in zweiter Generation vor, doch seither gehen alle nachkommenden Forscher mit der Annahme an ihre Studien heran, dass ein hoher Cholesterinspiegel, ein Mangel an Bewegung und eine falsche Ernährungsweise in einem Zusammenhang mit der Entstehung von Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und Krebs stehen. Aus diesem Grund wird jede noch so kleine Messung, die dieseThese bestätigen könnte, mit demVergrößerungsglas interpretiert und aufgeblasen. Jedes noch so deutliche Ergebnis, welches andere Rückschlüsse zwingend macht, wird nicht wahrgenommen.
Herbert Immich sagt nichts anderes, als dass in der Epidemiologie seit Framingham alles dieser Ideologie geopfert wird, sowohl die Redlichkeit im Umgang mit wissenschaftlichen Daten als auch jegliche kritische Diskussion über Alternativen. Die Epidemiologie wird selbst zur Ideologie, indem sie dieWissenschaft ausgrenzt. Es ist das Ende der Epidemiologie als wissenschaftliches Fach.
Weitere Beispiele aus dem Horrorkabinett der medizinischenWissenschaften ließen sich nun endlos fortführen. Sie laufen immer nach dem gleichen Schema ab, als mehr oder weniger bewussterVersuch, Daten falsch zu erheben oder die Auswertung der Daten unsachgemäß vorzunehmen. Es geht nicht umWissen, es geht um Ideologie.Was hier gemacht wird, ist schlechteWissenschaft, und eigentlich ist es gar keineWissenschaft mehr, sondernTäuschung und Betrug. Und es führt unmittelbar zu schlechter Medizin. Es gibt zahlreiche hochqualifizierte Bücher, die diese schweren Missstände beschreiben. Stellvertretend möchte ich nennen: Gerd Gigerenzer: Better doctors, better patients, better decisions ; GilbertWelch: Overdiagnosed ; Ben Goldacre: Wissenschaftslüge ; Marco Finetti, Armin Himmelrath: Der Sündenfall ; Udo Pollmer, Uffe Ravnskov: Mythos Cholesterin oder Imogen Evans, HazelThornton, Iain Chalmers (deutsche Bearbeitung: Franz und Ingrid Porzsolt): Medizin auf dem Prüfstand . Doch diese zahlreichen gut begründeten Fachbücher finden nur wenig Resonanz an den Universitäten, und das seit 60Jahren. Ginge es nachThomas Kuhn oder Max Planck, müsste eine Revolution oder der Generationenwechsel doch schon längst an den unbrauchbar gewordenenWeltanschauungen rütteln. Doch nichts passiert. Die Irrtümer werden als generationenübergreifende Ideologien weitergegeben. Es gibt schon die nächste Generation von Framingham-Forschern, unfähig zur Reflexion über die Fehler ihrerVorgänger.Wie kann es sein, dass sich ein Irrtum über mittlerweile 60Jahre halten kann? Und das trotz einer explosionsartigen Zunahme an medizinischen Kongressen und Publikationen, also den Plattformen, wo solche Irrtümer aufgedeckt und fachlich diskutiert werden sollten?Wieso werden Irrtümer in der Medizin zementiert und eisern jahrzehntelang durchgezogen, obwohl der Schwindel mit Händen zu greifen ist? Sämtliche wissenschaftlichen Korrektive scheinen außer Kraft gesetzt zu sein. Nichts passiert, dieVerbohrtheit nimmt sogar zu.
Der Impact Factor: Die Zementierung des Irrtums inderWissenschaft
Die Antwort lautet: Weil der Irrtum heute nicht an eine Person geknüpft ist, die dann irgendwann die Bühne freimacht, sondern an ein System. Die medizinischeWissenschaft produziert heute weitgehend Forschung, die nicht dem Erkenntnisgewinn, dem Herausfinden vonVor- und Nachteilen einerTherapie dient, sondern nur dem einen Zweck, die Lehrmeinung zu verteidigen, auch dann, wenn sie schon längst zur Ideologie geworden ist. Damit verrät sie das, was eineWissenschaft eigentlich ausmacht: Objektivität und produktiver Streit um die beste Lösung. Sie ist zum Feind echterWissenschaft geworden.
Der Mannheimer Professor für Betriebswirtschaftslehre und Organisationstheorie Alfred Kieser beschreibt diese negative Entwicklung in einer Arbeit, die gekürzt auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen war. Er erklärt die Art undWeise, wie heute Forschung betrieben werden muss, um beruflich
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