Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
haben, in derWirklichkeit überprüfen. Das können nur Ärzte, die auch jahrelang Patienten behandelt haben.
Ganz bestimmt sind diejenigen Mediziner überfordert, die einen Fulltimejob in der Klinik haben und zwischen 2 anstrengenden Nachtschichten gleichzeitig auch noch Forschung betreiben müssen.Viel solidere Forschung dürften wir erwarten, wenn sie von jemandem gemacht wird, der 1 bis 2 Jahre von der Arbeit in der Klinik freigestellt ist. Das schließt leidenschaftliches Arbeiten nicht aus, jedoch die Einmischung von Chefärzten, die nicht entsprechend ausgebildet sind, aber schnell noch ein passendes Forschungsergebnis für den nächsten Kongress benötigen.
Das gilt auch für mich.Auch ich habe keine naturwissenschaftliche Zusatzausbildung.Aber ich habe mich eingehend mit Biometrie und Ernährungsphysiologie befasst, sodass ich zumindest erkennen kann, ob und wann ich Fachleute aus anderen Gebieten zur Beratung hinzuziehen muss. Und erstaunlicherweise sind schon geringe Kenntnisse ausreichend, um die Schwächen viel zu vieler Studien zu sehen, so banal und leicht zu entlarven sind die Manipulationen. Manchmal wünschte ich mir den systematischen Irrsinn in der modernen wissenschaftlichen Medizin raffinierter, dann hätte man wenigstens eine Erklärung dafür, dass er nicht längst aufgeflogen ist und sanktioniert wird.
Bereits 1919 verfasste übrigens der bekannte Psychiater Eugen Bleuler eine Schrift mit demTitel Das autistisch-undisziplinierte Denken in der Medizin und seine Überwindung .Wahrscheinlich würde sich der Autor kaum wundern, erführe er, dass sein Buch auch heute noch Gültigkeit besitzt. Es ist wohl kaum übertrieben, zu behaupten, dass die in den Berufsgenen verankerte Überschätzung von Ärzten in Bezug auf ihre naturwissenschaftlichen Fähigkeiten für einen beträchtlichenTeil schlechter Medizin verantwortlich zu machen ist.
Ideologie verdrängt Wissenschaft: Wie Irrtümer zementiert werden
Geld und Selbstüberschätzung erklärenvieles, was im heutigen Medizinbetrieb schiefläuft. Doch wenn der meinungsführendeTeil der medizinischen Fachwelt die Augen davor verschließt, wenn Professoren jahrzehntelang an längst widerlegten Irrtümern festhalten und Studie um Studie mit den immer gleichen Fehlern produzieren, dann steckt noch eine andereTriebfeder dahinter.
Wissenschaft, Weltanschauung und Ideologie
» Der Autor misst epidemiologische Studien an den gängigen Methoden der Biometrie. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Die zeitgenössische Epidemiologie missbraucht Daten, um wirklichkeitsfremde Paradigmen glaubwürdig zu machen. Niemand scheint sich an diesem Missbrauch zu stoßen. Eine ungehinderte Diskussion über den Missbrauch findet nicht statt. «
DieserText aus Herbert Immichs Buch zur Framingham-Studie skizziert, worum es geht. Doch was versteht Immich unter einem Paradigma in derWissenschaft? Ein Paradigma ist eine Aussage, von der man allgemeine Gültigkeit annimmt und die deshalb nicht hinterfragt wird. Ein Paradigma hat den Charakter einerWeltanschauung, und Kritik daran kommt einer Majestätsbeleidigung gleich. Hat sich ein Paradigma erst einmal durchgesetzt, darf dieWelt nur noch innerhalb dieserWeltanschauung erklärt werden. Ein Paradigma des Mittelalters war beispielsweise die Sichtweise, die Erde sei eine Scheibe. Jeder, der damals erklärte, die Erde sei eine sich drehende Kugel, wurde nicht ernst genommen oder ihm drohte Schlimmeres. Von einer sich drehenden Kugel würde man ja herunterfallen, dachte man. Die Gesetze der Schwerkraft waren noch unbekannt.
Oft sind es große neue Entdeckungen, die ein Paradigma auf einen Schlag ab absurdum führen. Die Menschen reagieren meist beunruhigt und mit Angst, weil sie glauben, dass sich dieWelt durch eine neue Sichtweise verändert. Doch dieWelt bleibt gleich, es verändert sich nur unsereVorstellung von derWelt.
Da dasWort Paradigma sehr inflationär gebraucht wird, spreche ich bei einem Einzelparadigma besser von » Glaubenssatz « und bei der Summe sich aufeinander beziehender Glaubenssätze von » Weltanschauung « . Betrifft ein Glaubenssatz religiöse Fragen, spricht man auch von einem Dogma. Ein Dogma der katholischen Kirche ist zum Beispiel die jungfräuliche Geburt Marias.Vor 500Jahren konnte man als Ketzer auf dem Scheiterhaufen landen, wenn man ein Dogma infrage stellte. Das ist heute anders, aber wenn ich bei Podiumsdiskussionen erkläre, dass es aus evolutionären Gründen für den Menschen notwendig
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