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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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einesWissenschaftlers genannt werden, umso mehr Punkte bekommt er. Mit vielen Punkten wiederum rückt er auf der Rangliste der höchstbewertetenWissenschaftler nach oben und gewinnt weltweit an Ansehen.
    Ganze Hochschulfakultäten lassen sich mittlerweile untereinander vergleichen, indem man die Punkte des jeweiligen Impact Factors der dort tätigenWissenschaftler addiert. Je höher die Punktzahl, desto besser ist die Universität. Dies ist wiederum für Studenten wichtig, die sich bessere Karrierechancen ausrechnen, wenn sie an Unis studieren, die im Ranking sehr hoch stehen.Viele Hochschulleitungen, insbesondere Berufungskommissionen, die Professuren vergeben, orientieren sich deshalb bei derVergabe von Positionen ganz maßgeblich am Impact Factor der Bewerber. Oft auch deshalb, weil das System des Impact Factors eine objektive Bewertung suggeriert, die den Entscheidungsprozess deutlich verkürzt und die eine unangreifbare Rechtfertigung bietet, falls sich der ausgesuchte Bewerber später als völlige Niete entpuppen sollte. Man geht kein Risiko ein. Dazu müssen die Mitglieder einer Berufungskommission nicht einmal der Fachrichtung der zu besetzenden Stelle angehören, also selbst inhaltlich die Arbeiten des Bewerbers beurteilen können. Es reicht ja, Punkte zu vergleichen.
    Bewerber sind also gut beraten, Forschungen zu betreiben, die gute Chancen haben, in den führenden Zeitschriften veröffentlicht zu werden, sonst wird es schwierig mit der Karriere. Dies wiederum bewirkt, dass Hochschulleitungen für alle ihre Fachbereiche schnell und übersichtlich Bescheid wissen, ob diese auch Forschungen betreiben, die auf demWissenschaftsmarkt gut ankommen, und ihre Entscheidungen über finanzielle Zuschüsse und Stellenbesetzungen danach ausrichten. Sogar die Bezahlung eines Hochschullehrers wird zunehmend danach ausgerichtet, wie viele Impact-Factor-Punkte er während eines Forschungsjahrs sammeln konnte.Von einem heutigen Forscher wird also erwartet, dass er Forschungen betreibt, die seiner Abteilung und der gesamten Universität möglichst viele Impact-Factor-Punkte bringen.Was er selbst dabei als wichtig für den Fortschritt betrachtet, spielt nur eine untergeordnete Rolle.
    Das wäre nicht unbedingt schlimm, denn der Impact Factor baut auf der Annahme auf, dass einWissenschaftler immer dann zitiert wird, wenn seine Arbeit besonders bedeutend für den wissenschaftlichen Fortschritt ist, und dass eine Fachzeitschrift nur dann hoch bewertet ist, wenn sie den Erkenntnisstand der aktuellen Forschung besonders gut abbildet. Doch diese Annahme ist grundfalsch. Es geht um etwas ganz anderes.
    Es beginnt mit einigen formalen Einschränkungen: Bei der Bewertung werden nur englischsprachige Zeitschriften berücksichtigt, Buchbeiträge gar nicht und nur solche Publikationen und Zitierungen, die nicht mehr als 2 Jahre zurückliegen. Nicht unbedingt gut für eine gründliche, aber eben auch längerfristig angelegte Forschung.
    Einen Artikel in einer führenden englischsprachigen Zeitschrift unterzubringen, ist sehr schwierig. Die Ablehnungsrate liegt bei über 90Prozent.Wie erhöht man seine Chancen? Zum einen ist ein bereits bekannter Name sehr hilfreich. In einemVersuch wurde je ein Artikel bekannter Autoren aus 12 angesehenen psychologischen Zeitschriften leicht verändert. Die Namen der Autoren wurden verfälscht zu wissenschaftlichen Nobodys. Die Artikel wurden nun denselben 12Zeitschriften neu zurVeröffentlichung vorgelegt, die sie 2 Jahre zuvor schon angenommen hatten. Das Ergebnis: Nur 3wurden als Original erkannt, von den übrigen 9 wurden 8 abgelehnt.
    Sehr wichtig ist auch die Rolle der Herausgeber und Gutachter. Im ersten Anlauf sortiert der Herausgeber gottgleich die ihm nicht genehmen Bewerbungen aus. Dann werden 2 bis 4 Gutachter von den Herausgebern damit beauftragt, die verbleibenden eingereichten Studien zu bewerten. Zuerst der Herausgeber und dann die Gutachter entscheiden über eine Annahme oder Ablehnung.
    Nehmen Sie einmal an, Sie sind als Gutachter noch mitten in der Karriereplanung. Eine Möglichkeit, den Olymp zu erklimmen, besteht darin, Gutachter einer noch angeseheneren Zeitschrift zu werden oder gar zum Mitherausgeber aufzusteigen. Eine extrem einflussreiche Position in derWissenschaftswelt, da man ganze Forschungsrichtungen mit seiner Meinung beeinflussen kann. Doch zum Herausgeber befördert wird nur, wer vorher bewiesen hat, dass er Publikationen auswählen kann, die nach dem Abdruck möglichst

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