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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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oft zitiert werden. Und das sind Artikel, die von den Platzhirschen geschrieben wurden und vor allem die herrschende Lehrmeinung stützen. Arbeiten, die neue und auch kritische Ergebnisse liefern, sind da eher ein Risiko, welches gemieden wird. Oder anders ausgedrückt, wenn man alsWissenschaftler aufgrund seiner Forschungen zu kritischen Meinungen und Ergebnissen kommt, dann muss man schon viel Glück haben, um auf 2 Gutachter zu treffen, bei denen der eingereichte Artikel nicht Missgunst oder Angst weckt, sondern auf eine gewisse Sympathie stößt.Wie wahrscheinlich ist das?
    Ich war selbst als Gutachter für eine wissenschaftliche Zeitschrift bestellt und bekam meinen ersten Artikel zur Bewertung. Es handelte sich um eine Studie, die den positiven Nutzen von probiotischer Milch auf dieVerringerung von Infektionserkrankungen belegen wollte. Probiotische Artikel liegen imTrend, die Hersteller sind meist finanzstark. Ich kritisierte 2 wesentliche Punkte, nämlich dass erst nach genauem Hinsehen klar wurde, dass der Hersteller dieser Milch die Studie finanziert hatte, und zweitens eine wichtige Frage nicht untersucht worden war: Welche Reaktionen zeigten die Probanden, nachdem die Milch wieder abgesetzt worden war? Andere Studien hatten nämlich beobachtet, dass es den Patienten nach Absetzen der probiotischen Nahrungsmittel schlechter ging als vor derTherapie. Seitdem wird dieser Aspekt von solchen Studien tunlichst nicht gemessen, die probiotische Produkte begünstigen wollen. Ich empfahl entsprechende Nachfragen, bevor die Arbeit veröffentlicht werden sollte. Danach wurde meine Gutachtertätigkeit nicht mehr in Anspruch genommen.
    Festzuhalten bleibt, dass das System des Impact Factors großen Einfluss auf dasVerhalten derWissenschaftler und die Ausrichtung ihrer Forschung hat. Heute wird man nicht zur anerkannten Forscherpersönlichkeit, indem man aussagekräftige Bücher zu einemThema verfasst, welches umfassend und frei im Denken einen Sachverhalt nach neuesten Erkenntnissen aufbereitet, sodass der Leser eine gute Übersicht über die Meinung desWissenschaftlers erhält. Heute macht man Karriere, wenn es einem gelingt, ein Forschungsergebnis in möglichst kleineTeile zu zerhacken und diese in möglichst vielen Zeitschriften unterzubringen, sodass am Ende eine diffuse Huldigung der bestehenden Lehrmeinung herauskommt.Wer dies bewerkstelligt, kann zum Gutachter und sogar zum Herausgeber einflussreicher Zeitschriften aufsteigen und damit zum anerkannten Platzhirsch werden, dem eine führende Position an einer Universität sicher ist.Verborgen bleibt, worin der eigentliche Beitrag eines solchen Meinungsführers für eine innovative Forschung besteht. Denn dafür gibt es nicht die Punkte, die für den Erfolg notwendig sind.
    Wenn die Punktzahl sinkt, gibt es weniger Geld und damit weniger Forschungsmittel. Und so kommt es, dass schlechte Punktzahlen zu schlechten Bedingungen in der Forschung führen bis dahin, dass es unmöglich wird, die eigenen Forschungsideen umzusetzen. So ist ein schlechtes Ranking eine Art selbsterfüllende Prophezeiung.
    Doch noch schlimmer. Der Impact Factor fördert Schummelei. Um die Zitierungspunkte zu sammeln, zitieren sich Autoren vor allem selbst. Außerdem vor allem Autoren aus Zeitschriften mit hohem Impact Factor, das erhöht die Bedeutung der eigenen Arbeit. Prof. Kieser drückt es zutreffend so aus: » Zeitschriften mit einem hohen Impact Factor haben also nicht nur deswegen ein hohes Prestige, weil sie häufig zitiert werden, sie werden auch häufig zitiert, weil sie ein hohes Prestige aufweisen. « So beißt sich die Katze in den Schwanz.
    Beliebt ist auch, dass weniger bekannteWissenschaftler die besser bekannten zu gemeinsamen Forschungsarbeiten zu motivieren versuchen, mit demVersprechen, die Hauptlast der Arbeit zu übernehmen, und dem Nutzen, als Mitautoren aufgeführt zu werden. Das erhöht die Chancen, dass die Arbeit angenommen wird, und auch dieWahrscheinlichkeit, dass man zitiert wird. Doch welcher Platzhirsch würde seinen Namen hergeben für eine Forschung, deren Ergebnis unter Umständen die eigene Arbeit kritisiert?
    Thematisch haben solche Artikel besonders große Chancen, veröffentlicht zu werden, die ein aktuellesThema bearbeiten, dabei aber tunlichst darauf achten, bereits Etabliertes zu bestätigen. Dem kann kein Herausgeber widerstehen: Ein junger Forscher, der mit viel Aufwand die eigene Position noch mal aus einem neuen Blickwinkel heraus bestätigt, das

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